Achter Artikel. Die Bewunderung ist Ursache des Ergötzens.
a) Dagegen sagt I. Damascenus (2. de orth. fide 22.): „Bewundern ist eigen einer Natur, die unwissend ist.“ Unwissenheit aber ist kein Grund zur Freude. II. Das „Sich-Wundern“ ist der Anfang der Weisheit, gleichsam der Weg zur Erforschung der Wahrheit; so heißt es im Beginne der Metaphysik des Aristoteles. Angenehmer und ergötzlicher nun ist es, bereits Gekanntes zu betrachten wie Unbekanntes zu erforschen, schreibt Aristoteles (10.Ethic. 7); da dies Schwierigkeiten hat jenes aber nicht, Ergötzen aber verursacht wird von einer ungehinderten Thätigkeit. Also ist Bewunderung kein Grund für ein Ergötzen. III. Ein jeder ergötzt sich am Gewohnten, weshalb ja die Thätigkeiten, welche aus den zur Gewohnheit gewordenen Zuständen hervorfließen, Ergötzen bereiten. Was aber man gewohnt ist, das ist nicht mehr Gegenstand der Bewunderung, wie Augustinus (sup. Joann. tract. 24) sagt. Also ist Bewunderung im Gegensatze zur Begründung des Ergötzens. Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (I. Rhet. 11): „Bewunderung verursacht Ergötzen.“
b) Ich antworte, daß es Ergötzen bereitet, wenn man das Ersehnte erreicht. Je mehr also ein Gut ersehnt worden, desto größer wird das Ergötzen daran sein. Und im Vermehren der Sehnsucht liegt bereits ein Ergötzen, insofern die Hoffnung, den geliebten Gegenstand zu besitzen, schon Vergnügen macht. Nun ist die Bewunderung eine gewisse Sehnsucht, etwas zu wissen. Denn jener bewundert oder wundert sich, der die Wirkung sieht, aber die Ursache davon nicht kennt; oder der die Ursache wohl kennt, jedoch deren Verhältnis zur Wirkung übersteigt seine Fassungskraft. Deshalb also ist die Verwunderung Ursache des Ergötzens, insofern sie nämlich die Hoffnung mit sich verbunden hat, die Kenntnis dessen zu erreichen, was zu wissen man sich sehnt. Aus diesjem Grunde sind demgemäß alle bewundernswerten Dinge Quelle von Ergötzen, wie etwas Seltenes. Denn die Seele freut sich am Vergleichen des einen mit dem anderen, was eine der Natur der Vernunft gemäße Thätigkeit ist, wie Aristoteles sagt. (Poëtica c. 4.) Und deshalb ist es auch Grund des Ergötzens, aus großen Gefahren befreit zu werden, weil es bewundernswert ist.
c) I. Insoweit die Bewunderung Unwissenheit einschließt, ist sie nicht Ursache des Ergötzens; wohl aber weil sie die Sehnsucht weckt nach Wissen und inwieweit der sich Wundernde etwas Neues dazu lernt, nämlich daß er so sei, wie er früher sich nicht dachte. II. Das Ergötzen schließt ein die Ruhe in einem Gute und die Wahrnehmung derartiger Ruhe. Mit Rücksicht auf das Erste ist die Betrachtung bereits gekannter Wahrheiten an und für sich ergötzlicher als das Forschen nach ungekannten; denn vollendeter ist es, das Gewußte zu betrachten als Ungewußtes zu erforschen. Mit Rücksicht auf das Zweite aber ist das Nachforschen selber manchmal ergötzlicher, insofern dasselbe von einer größeren Sehnsucht ausgeht. Die Sehnsucht wird aber mehr geweckt durch dieWahrnehmung seiner Unwissenheit, weshalb der Mensch in hohem Grade sich freut über das, was er erfindet oder neu hinzulernt. III. Das Gewohnheitsmäßige wird mit Freuden gethan, weil es gleichsam eine zweite Natur ist. Was aber selten ist, verursacht Ergötzen entweder auf Grund der Kenntnis, weil dessen Wissenschaft ersehnt wird; oder auf Grund der Thätigkeit, weil infolge der Sehnsucht der Geist in höherem Grade thätig ist, um Neues kennen zu lernen. (Vgl. 10 Ethic. 4.) Denn ein vollendeteres Thätigsein verursacht vollendeteres Ergötzen,
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