Zweiter Artikel. In Gott sind mehrere Ideen.
a) Dies scheint nicht der Fall zu sein. Denn: I. Die Idee in Gott ist sein Wesen. Sein Wesen ist aber nur eines. Also auch seine Idee. II. Die Idee ist das Princip für das Erkennen und für das Wirken in der Weise, wie etwa dies in ihrem Bereiche die Kunst und die Weisheit ist. In Gott aber sind nicht mehrere Künste und mehrere Arten Weisheit; also auch nicht mehrere Ideen. III. Wird gesagt, die Beziehung auf die Kreaturen begründe die Mehrzahl der Ideen; so steht dagegen fest, daß die Mehrzahl der Ideen jedenfalls von Ewigkeit her ist. Wenn also mehrere Ideen in Gott sich vorfinden, während doch die Kreaturen zeitlich sind, so wird in diesem Falle vom Zeitlichen aus Ewiges begründet werden. . Diese Beziehungen, also die Ideen, sind dem wirklichen Sein nach entweder bloß in den Kreaturen oder auch in Gott. Wenn sie bloß in den Kreaturen dem wirklichen Sein nach sind, so ist die Mehrzahl der Ideen nicht von Ewigkeit, da sie vermehrt werden nur gemäß den Beziehungen zu den Kreaturen. Sind sie dem wirklichen Sein nach auch in Gott, so besteht eine wirkliche Mehrzähl in Gott außer der Mehrzahl der Personen; und dies ist gegen Damascenus (lib. I. de fide orthod. c. 9, 10, 11.), der da sagt: „In Gott ist Alles Einheit außer der Unerzeugtheit, der Erzeugung und des Ausganges.“ So ist also in Gott nur eine Idee. . Auf der anderen Seite sagt Augustin (lib. 83. Quaest. qu. 46.): „Die Ideen sind gewisse, an erster Stelle maßgebende Formen oder feststehende und unveränderliche Gründe für die Dinge; denn sie selber, diese Ideen, sind nicht gemacht und sind deshalb ewig, in ihrem Verhalten immer dieselben und eingeschlossen im göttlichen Verständnisse. Während sie selber nun weder entstehen noch vergehen, wird doch alles, was entstehen und vergehen kann und was thatsächlich entsteht und vergeht, nach ihnen geformt.“
b) Ich antworte, daß die Notwendigkeit es erheischt, mehrere Ideen in Gott anzunehmen. Zu dessen Klarstellung ist zu erwägen, daß bei einer jeden Wirkung Jenes im eigentlichen Sinne beabsichtigt ist vom Ersteinwirkenden, was den letzten Zweck des Gewirkten vorstellt; wie z. B. die Ordnung des Heeres als eines Ganzen durch die Maßregeln des Heerführers beabsichtigt wird. Das Beste aber in den Dingen, also ihr letzter Zweck, ist das Wohl aller Geschöpfe als eines Ganzen. (12 Metaph.) Diese Ordnung also im All, worin das Wohl des Ganzen besteht, ist im eigentlichsten Sinne von Gott bezweckt und ist nicht ein Ergebnis des Zufalls, als ob etwa die einen wirkenden Ursachenden anderen regellos folgten. Das Letztere nahmen manche an, die da meinten, Gott habe nur die erste Kreatur geschaffen und diese die zweite und so weiter in gewisser, aber nebensachlicher Reihenfolge. Danach hätte Gott also nur eine Idee, nämlich die des Erstgeschaffenen. Ist aber die Ordnung des Weltalls als eines Ganzen von Gott unmittelbar und recht eigentlich bezweckt, so muß Er davon, von diesem Ganzen, eine Idee haben. Die Idee von einem Ganzen aber kann man nicht haben, wenn man nicht die Ideen aller jener Teile besitzt, die das Ganze bilden; wie z. B. der Erbauer eines Hauses die Idee des ganzen Hauses nicht haben könnte, wenn ihm nicht die eigenst entsprechende Idee eines jeden Teiles bekannt wäre. So müssen also in Gott eigene Ideen sein von allen Dingen, die Teile des All sind. Das sagt Augustin (I. c.): „Alle Dinge sind nach eigenen Musterideen geschaffen.“ Daß aber dies der göttlichen Einfachheit nicht entgegensteht, ist leicht für jenen zu sehen, der da erwägt, wie die Idee des Gewirkten in der Vernunft des Einwirkenden ist nicht als Erkenntnisform, kraft welcher erkannt wird, die da in der Vernunft bestimmend und bethätigend vorhanden ist; sondern vielmehr als Gegenstand des Erkennens. Die Form des Hauses im Geiste des Baumeisters ist ein von diesem verstandener Gegenstand, nach dessen Ähnlichkeit er gestaltet. Gegen die Einfachheit der göttlichen Vernunft aber ist es nicht, daß sie vieles erkennt; sondern dies wäre es, wenn ihr Erkennen vermittelst verschiedener Ideen innerlich bestimmt und bethätigt würde. Das kann auch noch folgendermaßen erläutert werden. Gott erkennt in vollkommenster Weise sein Wesen. Er sieht deshalb, daß von seinen Vollkommenheiten in verschiedener Weise mitgeteilt werden kann; denn in dieser Weise ist es erkennbar. Eine jede Kreatur aber hat eine eigene Wesensform und einen eigenen Seinsgrund, wonach sie Anteil hat an den Vollkommenheiten Gottes. So also kennt Gott sein Wesen als den eigensten Grund und als die Idee der bestimmten Kreatur, insoweit diese letztere an den Vollkommenheiten des göttlichen Seins Anteil hat und sonach Gott ähnlich ist. Und so verhält es sich mit allen Kreaturen. So erkennt Gott also mehrere Gründe für die den einzelnen Kreaturen eigene Seinsweisen und hat sonmit mehrere Ideen.
c) I. „Idee“ will nicht das göttliche Wesen als solches, soweit es in sich ist, bezeichnen; sondern insoweit es die Ähnlichkeit in sich enthält für diese oder jene Kreatur. Sonach werden mehrere Ideen angenommen, je nachdem aus der durchaus einen göttlichen Wesenheit mehrere Seinsgründe rücksichtlich der Kreaturen erkannt werden. II. „Kunst“ und „Weisheit“ werden ausgesagt nicht als Gegenstand, welcher verstanden wird, sondern als Erkenntnisform, vermittelst deren die Vernunft in ihrem eigenen Innern bestimmt und bethätigt wird. „Idee“ aber bedeutet vielmehr das was Gott erkennt, also den Gegenstand des Erkennens. Gott nun versteht kraft ein und desselben Aktes vieles und zwar nicht nur gemäß dem Sein, was ein jedes der verstandenen Dinge in sich selber außen hat; sondern auch insofern letztere vestanden, also in der Vernunft sind, und das ist: mehrere Gründe für das einzelne Sein der Dinge erkennen. So wird vom Baumeister gesagt, er verstände die Form des Hauses, das da außen für sich mitten im Stoffe ausgführt werden soll; und damit ist zugleich gesagt daß er versteht oder kennt das Haus. Dann aber erkennt er auch diese selbe Form des Hauses, als Gegenstand seines Nachdenkens, seiner Spekulation, als eine von ihm verstandene. Und so erkennt er, daß er diese Form kennt. Er erkennt dann nicht nur das materielle Haus; sondern auch die Idee selber des Hauses ist ausdrücklich und unmittelbar Gegenstand seines Erkennens geworden. Gott aber erkennt nicht nur vermittelst seines Wesens viele Dinge; sondern Er weiß auch, daß Er viele Dinge durch sein Wesen erkennt. Und das will sagen: Wissen, daß viele Seinsgründe oder viele Musterideen in Ihm sind. III. Solche Beziehungen, von denen der dritte Einwand spricht, sind nicht verursacht von den Dingen, sondern die göttlche Vernunft ist davon der Grund, die das Verhältnis sieht, in welchem ihr Wesen zu den Dingen steht. IV. Die Beziehungen, welche die Mehrzahl der Ideen velanlassen, sind nicht in den Dingen, sondern in Gott; und trotzdem sind sie keine Beziehungen der Thatsächlichkeit nach, wie jene, welche die Dreiheit der Personen begründen, sondern es sind Beziehungen, die von Gott erkannt werden.
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