Erster Artikel. Die vom Apostel (Gal. 5.) aufgezählten Früchte sind Thätigkeiten.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Was selber Frucht trägt, das darf nicht Frucht genannt werden; sonst würde man ins Endlose vorgehen. Unsere Thätigkeiten aber tragen eine Frucht; nach Sap. 3.: „Glorreich ist die Frucht unserer Arbeiten;“ und Joh. 4.: „Wer erntet, der empfängt den Lohn und sammelt die Frucht ein zum ewigen Leben.“ Also unsere Thätigkeiten selber dürfen nicht Früchte genannt werden. II. Augustinus (10. de Trin. 10.) sagt: „Wir genießen das, was wir erkennen; und darin ruht der sich ergötzende Wille selber aus.“ Wir dürfen aber nicht ruhen in unseren eigenen Thätigkeiten. Also sollen wir sie nicht als Frucht ansehen, die wir genießen. III. Unter den aufgezählten Früchten sind einige nichts Anderes als Tugenden, wie die Liebe, die Sanftmut etc. Die Tugenden aber sind Zustände und keine Thätigkeiten. Auf der anderen Seite heißt es Matth. 12.: „Aus ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“
b) Ich antworte, der Name „Frucht“ ist vom Körperlichen herübergenommen. Im Körperlichen aber bedeutet „Frucht“ das, was von der Pflanze hervorgebracht wird, wenn sie zur Vollendung gelangt ist; was nämlich eine gewisse Annehmlichkeit mit sich bringt. Eine solche Frucht kann nun sowohl mit Bezug auf den sie hervorbringenden Baum betrachtet werden als auch mit Bezug auf den Menschen, der sie in Besitz nimmt. So können wir also im Bereiche des Geistigen in doppelter Weise von Frucht sprechen, daß nämlich: 1. Frucht des Menschen genannt wird, was derselbe hervorbringt; und 2. das, was der Mensch in Besitz nimmt. Nicht aber Alles, was der Mensch so in Besitz nimmt, wird schlechthin Frucht genannt; sondern was den Charakter des Letzten hat und Ergötzen mit sich bringt. Denn der Mensch hat den Acker und den Baum; dies wird aber nicht „Frucht“ genannt, sondern nur das Letzte, was der Mensch aus dem Acker und dem Baume heraus haben will. Und danach wird Frucht des Menschen“ genannt der letzte Endzweck, dessen Genuß er haben soll. Wird jedoch „Frucht“ genannt das, was der Mensch hervorbringt, so sind die menschlichen Thätigkeiten selber Früchte. Denn die Thätigkeit des Wirkens entspricht dessen Wesen und Vermögen; und bringt demgemäß, soweit sie dem Wesen und dem Vermögen entsprechend ist, Ergötzen mit sich. Wenn also die Thätigkeit vom Menschen ausgeht gemäß der Fähigkeit seiner Vernunft, so wird sie „Frucht der Vernunft“ genannt. Geht sie aber aus gemäß einer höheren Kraft, gemäß der nämlich des heiligen Geistes, so wird diese Thätigkeit „Frucht des heiligen Geistes“ genannt, als ob sie einem göttlichen Samenkorne angehörte. So steht bei Joh. 3. geschrieben: „Wer geboren ist aus Gott, thut keine Sünde; denn der Same Gottes bleibt in ihm.“
e) I. Da die Frucht gewissermaßen den Charakter des „Letzten“ und des Zweckes hat, so steht dem nichts entgegen, daß die eine Frucht eine andere habe, wie der eine Zweck auf den anderen Beziehung hat. Unsere Werke also, insoweit sie Wirkungen des heiligen Geistes sind, der in uns wirkt, haben den Charakter der Frucht; und insoweit sie hingeordnet werden zum letzten Endzwecke des Lebens, sind sie wie Blüten, nach Ekkli. 24.: „Meine Blüten sind Früchte der Ehre und der Ehrbarkeit.“ II. Daß der Wille „wegen seiner selbst“ sich ergötze, kann zuvörderst heißen, daß er sich selbst zum letzten Endzwecke habe; und so wäre dies unerlaubt, da er nicht sein letzter Endzweck ist. Dann aber kann das „wegen“ auch hindeuten auf die bestimmende Formalursache; und so kann jemand sich „wegen seiner selbst“ ergötzen in Allem, was Ergötzen bietet gemäß seiner inneren bestimmenden Form. In dieser Weise ergötzt sich der Kranke an der Gesundheit „wegen ihrer selbst“ wie im Zwecke; an der süßen Medizin aber nicht wegen ihrer selbst als dem Zwecke, sondern als am Mittel zum Zwecke; und an der bitteren Medizin in keiner Weise wegen ihrer selbst, sondern nur wegen eines anderen, nämlich wegen der Gesundheit. So soll sich der Mensch an Gott ergötzen, „wegen seiner selbst“ wie am letzten Endzwecke; an den tugendhaften Werken, nicht „wegen dieser selbst“, sondern wegen der Ehrbarkeit, die sie als formalen Inhalt enthalten als einen Gegenstand des Ergötzens in den Tugendhaften. Deshalb sagt Ambrosius (de Paradiso c. 13.): „Die Werke der Tugenden werden Früchte genannt, weil sie jene, welche sie besitzen, mit heiligem und wahrem Ergötzen erquicken.“ III. Die Namen der Tugenden gelten manchmal für deren Thätigkeiten. Deshalb sagt Augustin (40. in Joan.): „Der Glaube ist glauben, was du nicht siehst; die Liebe ist die Thätigkeit der Seele, um Gott und den Nächsten zu lieben.“ Und so werden hier bei den Früchten Namen von Tugenden für deren Thätigkeiten genommen.
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