• Start
  • Werke
  • Einführung Anleitung Mitarbeit Sponsoren / Mitarbeiter Copyrights Kontakt Impressum
Bibliothek der Kirchenväter
Suche
DE EN FR
Werke Thomas von Aquin (1225-1274) Summa Theologiae Summe der Theologie
Prima Pars Secundae Partis
Quaestio 71

Vierter Artikel Der sündige Akt, also die Sünde, kann zugleich sein mit der Tugend.

a) Das Gegenteil wird so begründet: I. Was zu einander im Gegensatze steht, kann nicht im nämlichen Subjekte sein. Die Sünde aber steht in einem gewissen Gegensatze zur Tugend. (Art. 1.) II. Die Sünde ist schlimmer wie das Laster als ein Zustand. Dieses aber kann nicht zugleich mit der entsprechenden Tugend im nämlichen Subjekte sein. III. Wie sich die Sünde im Bereiche des Freiwilligen findet, so auch im Bereiche des rein Natürlichen, nach 2 Physic. Niemals aber kommt in der Natur eine Sünde vor außer infolge einer inneren Verderbtheit der natürlichen Kraft; wie eine Mißgeburt vorkommt (nach 2 Physic.) infolge irgend einer Verdorbenheit im Samen. Also kommt auch in der Seele keine Sünde vor außer infolge der Verdorbenheit einer Seelenkraft. Und sonach kann Sünde und Tugend nicht zusammen sein im nämlichen Subjekte. Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (2 Ethic. 2.): „Durch das Entgegengesetzte wird die Tugend erzeugt und verdorben.“ Ein einzelner Akt aber erzeugt keine Tugend; also verdirbt auch nicht die Tugend ein einzelner Akt.

b) Ich antworte, die Sünde stehe im selben Verhältnisse zur Tugend wie ein schlechter Akt zu einem guten Zustande. Anders aber verhält sich ein Zustand in der Seele und anders in der Natur. Denn die rein natürliche Form verursacht mit Notwendigkeit die ihr entsprechende Thätigkeit; also kann da nicht sein zugleich mit der rein natürlichen verursachenden Form die Thätigkeit oder der Akt der entgegengesetzten Form. Mit der Thatsächlichkeit der Wärme als einer wirkenden Form verträgt sich nicht das Kaltwerden; und mit einer Form, die von Natur in die Höhe treibt, wie z. B. das Feuer, verträgt sich nicht das Niedersteigen außer etwa wenn Zwang angewandt wird. Der Zustand in der Seele aber bringt nicht mit Notwendigkeit seine Thätigkeit hervor; sondern der Mensch bedient sich desselben, sobald er will. Also kann ein Zustand da wohl bestehen, und doch gebraucht selben der Mensch nicht oder er thut das Entgegengesetzte; und so kann jemand wohl eine Tugend haben, aber er kann vorgehen zu einem Akte der Sünde. Ist nun dieser Akt nur einer, so kann er nicht den entgegenstehenden Zustand der Tugend verderben. Denn wie ein Zustand nicht entsteht infolge eines einzigen Aktes, so vergeht er auch nicht infolge eines einzigen Aktes. Wird jedoch der betreffende schlechte Akt in Beziehung gebracht zur Ursache der Tugenden, so können durch einen einzigen mehrere Tugenden verdorben werden. Denn jede Todsünde ist entgegengesetzt der heiligen Liebe, welche die Wurzel aller eingegossenen Tugenden ist, insoweit sie vollendete Tugenden sind. Wird also durch eine Todsünde die heilige Liebe entfernt, so verschwinden auch alle eingegossenen Tugenden, insoweit sie Tugenden sind. Und das sage ich wegen des Glaubens und der Hoffnung, deren Zustände als unvollendete, informes, zurückbleiben nach der Todsünde und so keine wahren Tugenden mehr sind. Die läßliche Sünde aber, die mit der heiligen Liebe bestehen kann, schließt auch die übrigen Tugenden nicht aus. Die erworbenen Tugenden jedoch werden nicht verdorben durch eine einzige Sünde welcher Art auch immer. So kann also die Todsünde zugleich sein mit den erworbenen Tugenden, nicht aber mit den eingegossenen. Die läßliche Sünde kann zugleich sein mit beiden Arten von Tugenden.

c) I. Die Sünde ist entgegengesetzt der Tugend, insoweit diese letztere zum Thätigsein Beziehung hat. II. Das Laster ist unmittelbar, seiner Natur nach, entgegengesetzt der Tugend; wie die Sünde gegenübersteht der tugendhaften Thätigkeit. III. Die natürlichen Kräfte sind thätig mit und aus Notwendigkeit. Solange also die betreffende Kraft in vollgültigem Bestände ist, kann da kein Fehlen, also keine Sünde sein. Die Kräfte der vernünftigen Seele aber wirken nicht mit Notwendigkeit.

pattern
  Drucken   Fehler melden
  • Text anzeigen
  • Bibliographische Angabe
  • Scans dieser Version
Editionen dieses Werks
Summa theologiae vergleichen
Übersetzungen dieses Werks
Summe der Theologie

Inhaltsangabe

Theologische Fakultät, Patristik und Geschichte der alten Kirche
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Impressum
Datenschutzerklärung