Dritter Artikel. Wer aus vorbedächtiger Bosheit sündigt, der sündigt nicht immer auf Grund eines Zustandes.
a) Dagegen wird geltend gemacht: I. Aristoteles sagt(5 Ethic. 9.): „Nicht eines jeden Sache ist es, Ungerechtes zu thun, wie dies der Ungerechte thut,“ nämlich aus vorbedächtiger Wahl, „sondern dessen, der den entsprechenden Zustand hat.“ Sündigen aber aus Wahl ist sündigen aus Bosheit. II. Origenes sagt(1 Periarchon 3.): „Nicht plötzlich wird jemand tugendleer oder fällt, sondern dies geschieht nach und nach.“ Aus vorbedachter Bosheit aber zu sündigen, scheint das tiefste Fallen zu sein. Also nicht gleich von Anfang an, sondern nach vieler Gewohnheit, kommt jemand dazu, daß er aus Bosheit sündige. Und somit sündigt jemand aus Bosheit nur auf Grund eines Zustandes. III. Die Natur des Willens ist vielmehr zum Guten hingeneigt. L. Wählt also der Wille das Übel, so kommt das nicht von seiner Natur. Also kommt es von der Leidenschaft oder einem Zustande, der zur Natur hinzutritt. Sünden aus Leidenschaft sind aber keine Sünden aus Bosheit, sondern aus Schwäche. Also kommt jede Sünde aus Bosheit von einem Zustande. IV. Auf der anderen Seite wählt manchmal jemand das Gute, trotzdem er keinen Zustand der entsprechenden Tugend hat. Also kann auch jemand das Übel wählen, ohne daß er einen diesbezüglichen Zustand im Innern hat.
b) Ich antworte, anders verhalte sich der Wille zum Guten wie zum. Bösen. Denn durch die Natur seines Vermögens neigt er zum Guten, insoweit die Vernunft ihn dazu bestimmt wie zu seinem eigensten Gegenstande; so daß danach jede Sünde gegen die Natur ist. Daß also jemand zum Übel hinneigt in seinem Willen und dieses erwählt, das muß anderswoher kommen. Und zwar kommt es vom Mangel in der Vernunft wie bei der Unkenntnis; oder vom Mangel im sinnlichen Begehren, wie bei der Leidenschaft. Beides ist aber nicht „aus Bosheit sündigen.“ Das geschieht, wenn der Wille von sich selbst aus zum Übel sich hinwendet; und zwar ist dies der Fall: 1. Auf Grund einer verkehrten Verfassung im Menschen, die zum Bösen hinneigt, so daß danach dem Menschen es zukömmlich ist, Übles, also ihm selber, Ähnliches zu thun; da also richtet sich der Wille wegen der Gleichförmigkeit auf das Böse, wie jegliches Wesen sich darauf richtet, was ihm gleichförmig ist. Solche verkehrte Verfassung ist nun entweder ein verderbter Zustand, den man sich erworben und der zur zweiten Natur geworden ist; oder es ist ein Krankheitszustand von seiten des Körpers, wie jemand Neigung zu einer Sünde haben kann wegen der Verderbtheit der körperlichen Natur in ihm. 2. Auf Grund der Entfernung eines Hindernisses; wie jemand, den die Hoffnung auf das ewige Leben oder die Furcht vor der Hölle verhinderte zu sündigen, aus Bosheit und ohne Zügel sündigt, wenn die Hoffnung durch die Verzweiflung, die Furcht durch freventliche Vermessenheit entfernt ist. So setzt also die Sünde, welche aus vorbedachter Bosheit hervorgeht, im Menschen voraus eine gewisse Unordnung, die jedoch nicht immer ein Zustand ist.
c) I. „Ungerechtes thun wie der Ungerechte“ besagt nicht nur „aus Bosheit sündigen,“ sondern zudem mit Ergötzen und mit aller Leichtigkeit sündigen; und dazu gehört ein Zustand. II. Nicht sogleich fällt einer in die Sünde aus Bosheit; jedoch wird nicht immer ein Zustand vorausgesetzt, sondern nur eine gewisse Unordnung. III. Nicht immer leitet ein Zustand oder die Leidenschaft zur Sünde hin; sondern noch Anderes, wie eben gesagt. IV. Das Gute wählen und das Böse wählen ist nicht sich ähnlich. Denn das Übel besteht nie, ohne daß in der Natur selber, wo es ist, ein Gut bestände. Das Gute aber kann vollkommen sein ohne das Übel der Schuld.
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