Erster Artikel. Gott ist nicht Ursache der Sünde.
a) Das Gegenteil wird bewiesen: I. Röm. 1, 28. heißt es: „Gott übergab sie in den verkehrten Sinn, daß sie thun, was nicht sich geziemt,“ wozu Augustin schreibt (de gratia et lib. arb.): „Gott wirkt in den Herzen der Menschen, indem Er ihre Herzen hinneigt, wohin Er will, zum Guten oder zum Bösen.“ Hinneigen zum Bösen aber ist Sünde. Also Gott verursacht die Sünde. II. Sap. 24. wird gesagt: „Die Geschöpfe Gottes sind gemacht zum Hasse und zur Versuchung für die Seelen der Menschen.“ Das bedeutet aber, daß sie zur Sünde reizen. III. Was die Ursache für die Ursache ist, das bildet auch die Ursache für die Wirkung. Gott aber ist die Ursache des freien Willens und dieser ist Ursache für die Sünde. Also ist Gott Ursache für die Sünde. IV. Jegliches Übel steht dem Guten gegenüber. Gott aber ist Ursache des Übels der Strafe, ohne daß dies seinem Wesen widerspricht; nach Isaias 45.: „Gott ist schaffend das Übel,“ und nach Amos 3,: „Ob ein Übel in dem Staat ist, das Gott nicht gemacht hätte.“ Also widerspricht es gleichermaßen nicht der göttlichen Güte, Ursache des Übels der Schuld zu sein. Auf der anderen Seite steht Sap. 11. geschrieben: „Nichts hast Du, o Gott, gehaßt von dem, was Du gemacht.“ Die Sünde aber haßt Gott nach Sap. 14.: „Gegenstand des Hasses für Gott ist der Gottlose und seine Gottlosigkeit.“
b)Ich antworte, der Mensch sei Ursache seiner eigenen Sünde oder der Sünde eines anderen: entweder direkt, indem er hinneigt seinen Willen oder den des anderen (durch Überredung) zur Sünde; — oder indirekt, mittelbar, indem er andere nicht zurückzieht von der Sünde, — weshalb Ezech. 3. dem Wächter gesagt wird: „Wenn du nicht dem Gottlosen sagst: du wirst des Todes sterben, … so will ich sein Blut von deiner Hand fordern.“ Direkt nun kann Gott nicht Ursache einer Sünde sein, weder in Sich noch im anderen; denn alle Sünde vollzieht sich vermittelst des Abweichens von der Ordnung, welche nach Gott als dem letzten Zwecke hin sich richtet. Gott aber wendet und neiget Alles zu Sich selber hin wie zum letzten Endzwecke, nach 4. de div. nom. Also ist es unmöglich, daß Er für Sich oder für andere die Ursache sei, abzugehen von dieser Ordnung, welche zu Ihm selber führt. Und ebenso ist dies nicht indirekt oder mittelbar der Fall. Denn es kommt wohl vor, daß Gott einzelnen nicht seinen Beistand gewährt zur Vermeidung der Sünde, mit welchem sie die Sünde vermeiden würden. Aber dies Alles thut Er nach der Ordnung seiner Weisheit und Gerechtigkeit, da Er selber die Weisheit und Gerechtigkeit ist. Also wird Ihm nicht als der Ursache angerechnet, wenn jemand sündigt. So ist z. B. der Steuermann nicht die Ursache davon, wenn das Schiff versinkt, weil er es nicht leitet, außer wenn er seine Leitung zurückzieht, während er kann und verpflichtet ist, das Schiff zu leiten. Also in keiner Weise ist Gott Ursache der Sünde.
c)I. Wenn Gott jemanden „überliefert in den verkehrten Sinn,“ so folgt, daß dieser bereits hat den verkehrten Sinn, „um zu thun was sich nicht schickt.“ Er „überliefert“ also dadurch, daß Er denselben nicht hindert, dem verkehrten Sinne zu folgen; wie von uns es heißt, wir setzten jene der Gefahr aus, die wir nicht schützen. Und so ist auch Augustin zu verstehen. Gott neigt den Willen zum Guten hin direkt; zum Bösen aber, indem Er nicht hindernd eingreift. Und letzteres geschieht noch dazu auf Grund dessen, daß eine vorhergehende Sünde dieses Eingreifen nicht verdient hat. II. „Die Kreaturen sind zum Hasse etc. gemacht;“ da bedeutet dieses „zum“ (oder in odium) nicht die Ursache, sondern die Folge. Denn Gott schuf nicht die Kreaturen zum Nachteile des Menschen; vielmehr folgte dieser Nachteil daraus, daß die Menschen so thöricht waren zu sündigen. Die Menschen bedienen sich der Kreaturen zu etwas Anderem als wozu sie gemacht sind. III. Die Wirkung der Mittelursache wird auf die erste zurückgeführt, soweit die Mittelursache in ihrer verursachenden Kraft unterworfen ist der ersten. Geht aber die Wirkung von der Mittelursache aus, insofern diese sich entfernt von der Ordnung der ersten Ursache, so findet diese Zurückführung nicht statt. So ist der Herr nicht die Ursache davon, wenn sein Diener etwas gegen seinen Willen macht. Die Sünde also, welche der freie Wille als Mittelursache thut gegen das Gebot Gottes, hat nicht Gott zur Ursache. IV. Die Strafe steht entgegen dem Guten in dem, der Strafe leidet, der also irgend eines Gutes beraubt wird. Die Schuld aber steht entgegen dem Gut der Ordnung, die Gott zum Abschlusse und Zwecke hat; also steht sie unmittelbar gegenüber der göttlichen Güte. Somit ist da kein Vergleich.
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