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Œuvres Thomas d'Aquin (1225-1274) Summe der Theologie
Prima Pars Secundae Partis
Quaestio 93

Dritter Artikel. Jedes Gesetz leitet sich ab vom ewigen Gesetze.

a) Dagegen wird geltend gemacht: I. Das „Gesetz des Fleisches“ ist nach Röm. 8, 7. „dem Gesetze Gottes nicht unterworfen;“ also nicht davon abgeleitet. II. Es giebt ungerechte Gesetze, nach Isai. 10.: „Wehe denen, die ungerechte Gesetze aufstellen.“ Diese aber kommen sicher nicht vom ewigen Gesetze, „dem gemäß es gerecht ist, daß Alles in höchster Ordnung geregelt dasteht.“ III. Augustin schreibt (1. de lib. arbitr. 5.): „Das Gesetz, welches behufs der Leitung des Volkes vorgeschrieben wird, erlaubt mit Recht Manches, was durch die göttliche Vorsehung gestraft wird.“ Der Grund aber für die göttliche Vorsehung in der Weltregierung ist das ewige Gesetz. Also leitet sich nicht jedes Gesetz vom ewigen ab. Auf der anderen Seite heißt es Prov. 8. von der göttlichen Weisheit: „Durch mich herrschen die Könige und entscheiden recht die Begründer der Gesetze.“

b) Ich antworte, das Gesetz sei nach Kap. 90, Art. 1 und 2 die leitende Richtschnur der Thätigkeiten zum Zwecke hin. In allen bewegenden und bestimmenden Kräften aber muß die Kraft dessen, was an ungeordneter Stelle bewegt, sich ableiten von der Kraft des Erstbewegenden; denn nur insoweit bewegt die untergeordnete bewegende Kraft als sie selber in Bewegung gesetzt wird von der ersten her. So leitet sich auch der Grund für die Verwaltung in den Unterbeamten eines Staates ab von dem Gebote des Königs; und ebenso im Bereiche der Kunst geht vom Baumeister, der den Bauplan in sich hat, der Grund aus für die Arbeit der Handwerker und der übrigen Künstler, die im Baue beschäftigt sind. Da also das ewige Gesetz der Grund ist für die Lejtung in jenem, der an erster Stelle regiert, so müssen alle Gründe in den untergeordneten Leitern vom ewigen Gesetze her sich ableiten. Derartige Gründe in den untergeordneten Leitern aber sind alle Gesetze außer dem ewigen. Also alle Gesetze entnehmen, soweit sie den Gesetzes-Charakter haben, denselben vom ewigen Gesetze. Deshalb schreibt Augustin (l. c. cap. 6.): „Im zeitlichen Gesetze ist nichts gerecht und gesetzlich, was nicht die Menschen vom ewigen Gesetze sich abgeleitet haben.“

c) I. Das Gesetz des Fleisches im Menschen hat den Charakter eines Gesetzes, insoweit es Strafe ist entsprechend der göttlichen Gerechtigkeit; und danach leitet es sich offenbar ab vom ewigen Gesetze. Insofern es aber zur Sünde hinneigt, ist es gegen das ewige Gesetz. (Vgl. oben Kap. 91, Art. 6.) II. Das menschliche Gesetz ist wahres, wirkliches Gesetz, insofern es der rechten Vernunft entspricht; und danach leitet es sich ab offenbar vom ewigen Gesetze. Insofern es von der Vernunft abweicht, ist es ein ungerechtes Gesetz; und so besteht vielmehr Zwang und Gewalt wie Gesetz. Und doch bleibt auch dann immer etwas noch vom Charakler des Gesetzes darin gewahrt auf Grund der Gewalt dessen, der es gemacht; und danach leitet es sich ebenfalls vom ewigen Gesetze ab. Denn „alle Gewalt ist von Gott dem Herrn,“ sagt Paulus. (Röm. 13.) III. Das menschliche Gesetz erlaubt oder übersieht Manches, weil dasselbe dies nicht regeln kann. Denn Vieles wird vvm ewigen Gesetze als von der höheren Ursache gelenkt und geleitet, was das menschliche als die niedrigere Richtschnur nicht zu leiten vermag. Dies also selbst daß das menschliche Gesetz sich in Manches nicht einmischt, ist vom ewigen Gesetze abgeleitet. Das menschliche Gesetz also kann nur nicht die Vollkommenheit des ewigen erreichen.

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