Zweiter Artikel. Die Vorbereitung zur Gnade.
a) Eine solche wird für die Gnade nicht erfordert. Denn: I. Nach Röm. 4. „wird dem, der thätig ist, der Lohn nicht gegeben gemäß der Gnade, sondern er ist ihm geschuldet.“ Eine Vorbereitung für die Gnade aber kann nur sich vollziehen vermittelst eines Thätigseins. II. Wer in Sünden immer weiter vorgeht, bereitet sich nicht zur Gnade vor. Solchen aber ist bisweilen die Gnade gegeben worden wie dem Apostel Paulus, „der da Mord und Verfolgung atmete gegen die Schüler des Herrn.“ (Act. 9.) III. Wer unendliche Kraft hat im Wirken, erfordert keine Vorbereitung im Gegenstande, wie dies in der Erschaffung klar ist, mit der die Verleihung der Gnade verglichen wird; Gott aber allein verursacht die Gnade. Also bedarf es da keiner Vorbereitung. Auf der anderen Seite sagt der Prophet Amos (4, 12.): „Bereite dich vor, Israel, um deinem Gotte entgegenzugehen;“ und 1. Kön. 7.: „Bereitet euere Herzen für den Herrn vor.“
b) Ich antworte, die Gnade als innerer Zustand der Seele bedürfe einer Vorbereitung in letzterer; denn keine Form wird einem Vermögen eingeprägt, wenn dieses nicht dazu in der richtigen Verfassung ist. Insoweit sie aber Anstoß ist zur Thätigkeit von seiten Gottes bedarf es keinerlei Vorbereitung für die Gnade; vielmehr vollzieht sich da jede diesbezügliche Vorbereitung kraft des göttlichen Beistandes, der zur Thätigkeit den Anstoß giebt. Die gute Bewegung des freien Willens selber, wodurch jemand sich zur Gnade vorbereitet, ist also demgemäß eine Thätigkeit des freien Willens, soweit dieser von Gott in Bewegung gesetzt worden. Und danach heißt es Prov. 16.: „Des Menschen Sache ist es, die Seele vorzubereiten;“ und dies kommt in erster Linie von Gott, der den freien Willen in Thätigkeit setzt: „Der Wille des Menschen wird“ demgemäß „von Gott vobereitet und die Schritte des Menschen vom Herrn geleitet.“
c) I. Manche Vorbereitung des Menschen für die Gnade ist zugleich mit dem Eingießen der Gnade; und solches Thätigsein verdient nicht die Gnade, die schon da ist, sondern vermittelst der Gnade die Herrlichkeit, die noch nicht da ist. Manche Vorbereitung aber ist unvollkommen und geht der Gnade vorher; sie ist aber dem Anstoße von seiten Gottes gedankt. Diese genügt jedoch nicht zum Verdienste, da der Mensch noch nicht gerechtfertigt ist. Denn kein Verdienst kann es geben ohne Gnade. II. Ob der Mensch plötzlich oder nach und nach sich zur Gnade vorbereitet, darauf kommt es nicht an; da doch es immer Gott ist, der zum Guten hinbewegt. Deshalb heißt es Ekkli. 11.: „Gott ist es leicht, im Augenblicke den Armen zu bereichern.“ Bewegt Gott den Menschen zu einem Guten hin, das aber nicht ein vollendetes Gut ist, so geht eine solche Vorbereitung der Gnade voraus. Bisweilen aber bewegt er in vollkommener Weise zum Guten hin und dann ist im Augenblicke die Gnade da, wie es Joh. 6. heißt: „Wer vom Vater hört und gelernt hat, der kommt zu mir.“ So hörte Paulus, lernte und kam zu Christo; und ward demnach im Augenblicke bekehrt. III. Nicht daß eine andere Ursache den Gegenstand vorbereitet, verlangt die mit unendlicher Kraft einwirkende Ursache; sondern sie selbst bereitet den Gegenstand oder das Vermögen, je nach dessen Lage, vor zur gebührenden Form. Und so ist es hier. Keine Vorbereitung ist für den Eintritt der Gnade erforderlich, die nicht Gott selber macht.