Dritter Artikel. Über die Duldung gegenüber den Häretikern.
a) Die Häretiker müssen geduldet werden. Denn: I. Der Apostel (2. Tim. 2.) sagt: „Der Diener Gottes soll sanftmütig sein, mit Bescheidenheit bessern jene, die der Wahrheit widerstehen; daß doch Gott ihnen Reue einflöße, um die Wahrheit zu erkennen und daß sie sich befreien aus den Fallstricken der Sünder.“ Werden aber die Häretiker nicht geduldet oder gar dem Tode überliefert, so nimmt man ihnen die Möglichkeit, Buße zu thun. Also ist dies gegen das Apostolische Gebot. II. Was notwendig ist in der Kirche, das soll man ertragen. Der Apostel aber sagt: „Es müssen Häresien sein, damit die erprobt sind in euch offenbar werden.“(1. Kor. 11.) III. Matth. 13. ermahnt der Herr, man solle das Unkraut lassen bis zur Ernte d. h. bis zum Ende der Welt. Das Unkraut aber sind die Häretiker. Auf der anderen Seite heißt es Tit. 3.: „Den häretischen Menschen vermeide nach dem ersten und zweiten Verweise; denn wisse, daß ein derartiger verkehrt ist.“
b) Ich antworte; rücksichtlich der Häretiker muß etwas berücksichtigt werden von seiten der Häretiker und etwas von seiten der Kirche. Auf seiten der Häretiker steht ihre Sünde, kraft deren sie verdient haben, nicht nur von der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen zu werden, sondern auch aus der Welt zu scheiden durch den Tod. Denn weit schwerere Schuld ist es, den Glauben zu fälschen, welcher der Seele das Leben gewährt, wie Geld zu fälschen, das nur zum Unterhalte des zeitlichen Lebens dient. Wenn also die Falschmünzer und dergleichen Übelthäter seitens der weltlichen Fürsten mit dem Tode bestraft werden und zwar gerechterweise, so verdienen dies um so mehr die Häretiker, sobald sie überführt werden der Häresie. Auf seiten der Kirche aber besteht Erbarmen, damit die Häretiker sich bekehren. Und deshalb verurteilt sie nicht allsogleich, sondern „nach dem ersten und zweiten Verweise.“ Nachher aber, dauert die Hartnäckigkeit fort und kann die Kirche eine Bekehrung nicht mehr hoffen, sorgt sie für das Seelenheil der anderen, trennt „den häretischen Menschen“ von der Kirchengemeinschaft und überläßt ihn dem bürgerlichen Gerichte, daß er durch den Tod von der Welt geschieden werde. Denn Hieronymus sagt (ad Gal. 5. modicum fermentum): „Abgeschnitten muß werden das faule Fleisch; das räudige Schaf muß aus dem Schafstalle getrieben werden, damit nicht das ganze Haus, die ganze Masse, Leib und Seele brennen, verderbt werden, faulen, zu Grunde gehen. In Alexandrien war Arius ein Feuerfunke; weil man ihn aber nicht sogleich unterdrückt hat, ward von ihm der ganze Erdkreis in Flammen gesetzt.“
c) I. Zur Bescheidenheit gehört, daß der Häretiker ein- und zweimal überführt werde. Hört er nicht, so muß man ihn nach dem Apostel für „verkehrt“ halten. II. Der Nutzen, welcher den Häresien entspringt, ist gegen den Willen der Häretiker; insofern nämlich, wie der Apostel sagt, dadurch die Standhaftigkeit der Gläubigen erprobt wird. Oder, wie Augustin schreibt (1. de Gen. 1.), „insofern wir die Trägheit abschütteln und genau die Schriften prüfen.“ Die Häretiker für sich wollen den Glauben fälschen, was ein im höchsten Grade großer Nachteil ist. Man muß also vielmehr auf das sehen, was sie wollen, als auf das, was gegen ihren Willen sich ergiebt. III. „Ein Anderes ist,“ nach Decret. 24. qu. 3 cap. notandum „die Ausschließung (aus der Kirchengemeinschaft) und ein Anderes die Ausreißung.“ Ausgeschlossen wird jemand, „damit sein Geist gerettet werde am Tage des Herrn.“ (1. Kor. 5.) Wenn jedoch die Häretiker durch den Tod ganz und gar herausgerissen werden aus dem Boden der Welt, so ist dies auch nicht gegen das Gebot des Herrn. Denn dieses ist für den Fall zu verstehen, wenn das Unkraut nicht ausgejätet werden kann, ohne daß der gute Weizen mit herausgerissen wird. (S. oben Kap. 10, Art. 8.)
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