Zweiter Artikel. Es giebt sechs Gattungen der Sünde gegen den heiligen Geist.
a) 43. dist. 2. Sentent. werden als Gattungen der Sünde gegen den heiligen Geist angesetzt: die Verzweiflung, freventliches Vornehmen oder Vermessenheit, Unbußfertigleit, Verhärtung oder Verstocktheit, Widerstreben gegen die anerkannte Wahrheit, Neid gegen die Gnade im Bruder. Diese Aufzählung ist unzulässig. Denn: I. Die göttliche Barmherzigkeit oder Gerechtigkeit leugnen, ist Sache des Unglaubens. Verzweiflung also und freventliches Vornehmen sind Gattungen des Unglaubens. II. Die Unbußfertigleit geht auf eine zukünftige, die Herzensverhärtung auf eine vergangene Sünde. Zukünftig und vergangen aber machen keinen Gattungsunterschied in den Tugenden und Lastern. Denn mit dem nämlichen Glauben beteten die Väter im Alten Testamente den zukünftigen Heiland an, mit welchem wir den bereits gekommenen anbeten. III. „Die Gnade und Wahrheit ist durch Jesum Christum gemacht.“ (Joh. 1, 17.) Also das Widerstreben gegen die erkannte Wahrheit und der Neid gegen die Gnade im Bruder ist vielmehr Sünde gegen den Menschensohn“ und nicht gegen den heiligen Geist. IV. Bernardus sagt (de dispens. et praec. 11.): „Nicht gehorchen wollen heißt dem heiligen Geiste widerstehen;“ und die Glosse zu Lev. 10.: „Geheuchelte Buße heißt den heiligen Geist lästern.“ Also fehlen diese Gattungen da oben. Auf der anderen Seite schreibt Augustin (de fide ad Petrum): „Wer verzweifelt an dem Nachlasse der Sünden und wer ohne Verdienst sich auf die Barmherzigkeit verläßt, sündigt gegen den heiligen Geist;“ — im Enchir. c. 83.: „Wer in Herzenshärtigkeit den letzten Tag seines Lebens beschließt, ist schuldig der Sünde gegen den heiligen Geist;“ — de verb. Dom. serm. 11.: „Unbußfertigkeit ist eine Sünde gegen den heiligen Geist;“ — 1. de serm. Dom. 22.: „Mit den Fackeln des Neides die Gnade im Bruder bekämpfen, ist Sünde gegen den heiligen Geist;“ — 6. de Bapt. c. 35.: „Wer die Wahrheit verachtet ist entweder gegen die Brüder boshaft, denen die Wahrheit offenbar geworden, oder undankbar gegen Gott, durch dessen Einsprechen die Kirche erleuchtet wird;“ also sündigt er gegen den heiligen Geist.
b) Ich antworte, gemäß der drittgenannten Auffassung der Sünde gegen den heiligen Geist passe diese Aufzählung. Was nämlich verachtet wird, trotzdem es die Sünde zu hindern imstande ist, hält sich entweder von seiten des göttlichen Ratschlusses oder von seiten der Gaben Gottes oder von seiten der Sünde selbst. Denn der Mensch wird gehindert in der Sünde durch die Betrachtung des göttlichen Ratschlusses (der da Barmherzigkeit mit Gerechtigkeit verbindet); entweder kraft der in ihm auf Grund dessen entstehenden Hoffnung, und diese wird entfernt durch die Verzweiflung; oder durch die Furcht vor der Strafe seitens der Gerechtigkeit Gottes, und das wird entfernt durch freventliches Sündigen auf Gottes Barmherzigkeit, wenn man meint ohne Reue Verzeihung, ohne Verdienste Seligkeit zu erhalten. Der Gaben Gottes, die von der Sünde abziehen, sind zwei: 1. die Anerkennung der Wahrheit; und dies wird entfernt durch das Widerstreben gegen die anerkannte Wahrheit; — 2. die Hilfe der inneren Gnade; und dagegen steht der Neid gegen die Gnade im Bruder, wodurch er Eifersucht fühlt gegen das Wachstum der Gnade. Von seiten der Sünde zieht den Menschen ab 1. die Häßlichkeit und Regellosigkeit der Sünde, deren Betrachtung den Menschen zur Buße führen kann; und dagegen steht die Unbußfertigkeit, nicht als Verbleiben in der Sünde wie dies oben angenommen wurde, sondern als Vorsatz, keine Reue zu erwecken. Dann ist es 2. von seiten der Sünde das geringe Gut, welches von der Sünde geboten wird, das da abzieht zu sündigen; und dieses Hindernis wird beseitigt durch die Herzenshärte, wonach der Mensch m der Sünde als solcher verbleiben will. Über diese beiden letzten Gattungen sagt Jerem. 8.: „Keiner ist, der Buße thut für seine Sünden; er spricht vielmehr: Was habe ich denn gethan?“; und: „Alle haben sich ans Laufen gegeben, wie ein Pferd, das in die Schlacht stürzt.“
c) I. Die Verzweiflung und das freventliche Vornehmen verachten die Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Gottes; nicht als ob sie an selbe nicht glaubten. II. Die Herzenshärte und Unbußfertigkeit betrachten, aber unter verschiedenen, formal bestimmenden Gesichtspunkten, ein und denselben Gegenstand und nicht bloß einen Unterschied in der Zeit. III. Gnade und Wahrheit hat Christus gemacht vermittelst der Gaben des heiligen Geistes. IV. Nicht gehorchen wollen gehört zur Herzenshärte, Buße heucheln zur Unbußfertigkeit.