Vierter Artikel. Die erste Sünde eines Menschen kann eine Sünde gegen den heiligen Geist sein.
a) Dies ist unmöglich. Denn: I. Nach der natürlichen Ordnung kommt man vom Unvollkommenen zum Vollkommenen, nach Prov. 4.: „Der Pfad der Gerechten wächst an Glanz wie das Licht und nimmt zu bis zum leuchtenden Mittage.“ Im Bereiche des Übels aber vollendet sein, heißt: das größte Übel thun. Da also die Sünde in den heiligen Geist die schwerste ist, so fängt damit der Mensch nicht an. II. Sündigen in den heiligen Geist oder aus Bosheit, d. h. rein aus freier Wahl, kann der Mensch nur nach vielen vorgängigen Sünden. Denn 5 Ethic. 6. heißt es: „Obgleich der Mensch manches Ungerechte begehen kann; er thut es aber nicht gleich im Anfange wie ein ungerechter.“ III. Buße und Unbußfertigkeit richten sich auf das Nämliche. Die Reue oder Buße aber richtet sich auf die vergangenen Sünden; also auch die Unbußfertigkeit. Also gehen ihr Sünden vorher. Auf der anderen Seite „ist es leicht vor dem Angesichts Gottes, auf einmal den armen ehrenwert zu machen.“ Eklli. 11. Also kann auch gemäß dem Einsprechen des Teufels der Mensch gleich in die schwerste Sünde fallen, d. i. in die Sünde gegen den heiligen Geist.
b) Ich antworte, Sündigen gegen den heiligen Geist sei nach der einen Erklärung sündigen aus Bosheit. Dies kann nun entweder geschehen infolge eines inneren Zustandes, was nicht eigentlich die Sünde gegen den heiligen Geist ist; und so kann die Sünde gegen den heiligen Geist nicht die erste sein, denn der Bildung eines Zustandes müssen einzelne Akte vorhergehen; — oder infolge der Verachtung dessen, was den Menschen vom Sündigen abbringen kann, was eigentlich die Sünde gegen den heiligen Geist ist. Und auch das setzt meist andere Sünden voraus; denn „wenn der Gottlose in die Tiefe der Sünden hinabgestiegen ist, wird er verachten,“ sagt Prov. 18. Der Mensch kann jedoch auch im ersten Akte der Sünde sogleich gegen den heiligen Geist aus Verachtung sündigen; sei es wegen seines freien Willens sei es wegen mancher vorhergehender Verfassungen in seinem Geiste sei es wegen des heftigen Antriebes zum Bösen und der schwachen Hinneigung zum Guten. Freilich kann es in einigermaßen vollkommenen Seelen nicht gut geschehen, daß sie gleich gegen den heiligen Geist sündigen. „Wer auf der Spitze der Vollkommenheit steht, wird nach meiner Meinung nicht auf einmal fallen, sondern allmählich,“ sagt Origenes. (1 Periarch. 3.) Ähnlich verhält es sich, wenn die Sünde des heiligen Geistes buchstäblich als Lästerung aufgefaßt wird. Denn solche Lästerung entspringt immer der Verachtung. Als Unbußfertigkeit bis zum Tode aufgefaßt ist die Sünde gegen den heiligen Geist selbstverständlich der Abschluß aller Sünden und nicht die erste.
c) I. Im Guten wie im Bösen kann der eine von einem vollkommeneren Grade anfangen wie der andere; und so kann jener Grad, wovon er anfängt, an sich Vollendung sein im Guten wie im Bösen, obgleich im selben Menschen dann noch mehr Vollendung erreicht wird. II. Dieser Einwurf geht aus von der Sünde, die aus dem Zustande der Bosheit hervorgeht. III. Ist die Sünde gegen den heiligen Geist, wie Augustin meint, die Unbußfertigkeit bis zum Tode, so gehen selbstverständlich Sünden vorher. Wird aber die Sünde gegen den heiligen Geist gemäß den sechs Gattungen aufgefaßt, so kann einer, der niemals gesündigt hat, den Vorsatz haben zu bereuen oder nicht zu bereuen, sollte er sündigen; und so wäre die Unbußfertigkeit vor allen anderen Sünden.
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