Erster Artikel. Gott kann Gegenstand der Hurcht sein.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Denn Gegenstand der Furcht ist ein in der Zukunft drohendes Übel; Gott aber ist die Güte selbst. II. Die Furcht steht der Hoffnung entgegen. Wir haben aber mit Rücksicht auf Gott Hoffnung. III. „Wir fürchten das, von woher uns Übel droht,“ heißt es (2 Rhet. c. 5.) bei Aristoteles. Kein Übel aber kommt von Gott, sondern nur von uns selber, nach Osea 13.: „Dein Verderben ist von dir, Israel: von mir allein kommt dein Beistand.“ Auf der anderen Seite sagt Jerem. 10.: „Wer wird Dich nicht fürchten, König der Völker;“ und Malach. 1.: „Wenn ich der Herr, wo ist die Furcht vor mir?“
b) Ich antworte, ähnlich wie die Hoffnung zum Gegenstande hat: 1. das Gute, was wir hoffen; und 2. den Beistand desjenigen, durch den man dieses Gute erreichen kann; — so habe die Furcht zum Gegenstande: 1. das Übel selbst; und 2. denjenigen, von dem das Übel kommen kann. Nur in der zweiten Weise kann Gott gefürchtet werden, denn von Ihm oder mit Rücksicht auf Ihn kann uns ein Übel kommen; Er selber ist ja nach keiner Seite hin ein Übel, sondern die reinste Güte. Von Ihm kann nun kommen das Übel der Strafe, das ja kein Übel schlechthin ist, sondern nur nach einer gewissen Seite hin; vielmehr ist die Strafe schlechthin betrachtet ein Gut. Denn Übel an sich ist nur, was vom Guten an sich, vom letzten Endzwecke, ausschließt; und das ist das Übel der Schuld. Die Strafe jedoch hängt ab von der Beziehung zum letzten Endzwecke, obgleich sie nach einer gewissen Seite hin eines beschränkten besonderen Gutes beraubt. Mit Rücksicht auf Gott aber kann uns das Übel der Schuld kommen; nicht von Ihm kann es ausgehen, insofern nämlich wir dadurch von Ihm getrennt werden. So kann also Gott Gegenstand der Furcht sein und muß es sein.
c) I. Gott ist nicht Gegenstand der Furcht, insoweit diese ein Übel flieht. II. In Gott ist Gerechtigkeit, womit Er die Sünder straft; es ist in Ihm Barmherzigkeit, kraft deren Er die Guten belohnt. Gemäß dem ersten Gesichtspunkte ersteht in uns die Furcht, gemäß dem zweiten die Hoffnung. III. Das Übel der Schuld ist nicht von Gott, sondern besteht viel mehr in uns, soweit wir von Gott uns entfernen. Das Übel der Strafe ist von Gott; aber soweit es etwas Gutes, nämlich die Wirkung der Gerechtigkeit ist; — als Strafe also, als Übel ist sie verdient durch unsere Sünden. Deshalb sagt Sap. 1.: „Gott hat den Tod nicht gemacht… sondern die Gottlosen haben den Tod mit ihren Worten und mit den Händen sich geholt.“