Fünfter Artikel. Die knechtische Furcht und die kindliche sind nicht ein und dasselbe der Substanz nach.
a) Dem steht entgegen: I. Die kindliche Furcht verhält sich zur knechtischen wie der in Liebe geformte Glaube zum ungeformten; trotzdem der eine zusammen mit der Todsünde bestehen kann, der andere nicht. Es bleibt aber immer der inneren Substanz nach der eine nämliche Glaube. Also ist dies auch mit Rücksicht auf die knechtische und kindliche Furcht der Fall. II. Den nämlichen Gegenstand hat die knechtische und kindliche Furcht; nämlich Gott. Also ist es der nämliche Zustand. III. Die gleiche Hoffnung ist es, mit der wir die Seligkeit hoffen und andere, auch zeitliche Güter. Also ist es auch die gleiche Furcht, mit der wir die Trennung von Gott und Strafen von Ihm fürchten. Also ist die knechtische und kindliche Furcht ein und dieselbe der Substanz nach. Auf der anderen Seite unterscheidet beide als zwei Arten Furcht Augustin. (9. in 1. Joan.)
b) Ich antworte, das eigens entsprechende Objekt der Furcht sei das Übel. Also muß nach der Verschiedenheit der Übel auch ein Unterschied im Wesenscharakter der Furcht sich finden, da die Zustände sich in ihrem Wesen unterscheiden gemäß den Gegenständen. Das Übel der Strafe nun als Gegenstand der knechtischen Furcht ist wesentlich verschieden vom Übel der Schuld, dem Gegenstande der kindlichen. Also ist auch ein Unterschied vorhanden in der Substanz der entsprechenden Furcht.
c) 1. Der Gegenstand des geformten und ungeformten Glaubens ist der nämliche; der Unterschied ist etwas Äußerliches, nämlich die Anwesenheit und Abwesenheit der heiligen Liebe. Dies ist bei der Furcht nicht der Fall, da ist im Gegenstande ein wesentlicher Unterschied. II. Die Beziehung zu Gott ist verschieden bei beiden Arten Furcht. Die knechtische Furcht betrachtet Gott wie den Urheber der Strafe; die kindliche wie den Abschluß aller Vollendung, von dem sie scheut getrennt zu werden. So ist ja auch im Bereiche des Körperlichen es nicht die wesentlich gleiche Bewegung, die zur weißen Farbe hingeht oder die von ihr sich entfernt. III. Die Hoffnung nimmt Gott den Herrn als das Princip der seligen Anschauung und jedes anderen Gutes. Gott aber ist nicht die Ursache des Übels der Schuld, welches die kindliche Furcht fürchtet; wohl aber Urheber der Strafe, des Gegenstandes der knechtischen Furcht.