Zweiter Artikel. Das freventliche Vornehmen ist Sünde.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Eine Sünde ist kein Grund, um erhört zu werden. Judith (19, 17.) aber betete: „ Erhöre mich elende, wie ich flehe; und wie ich mein Vornehmen stütze auf Deine Barmherzigkeit.“ Das ist also keine Sünde. II. Das freventliche Vornehmen ist ein „Zu viel“ in der Hoffnung. In der Hoffnung auf Gott aber kann kein „Zu viel“ sein; denn seine Kraft ist unendlich. III. Eine Sünde entschuldigt nicht die andere. Das Vornehmen auf Gottes Barmherzigkeit hin entschuldigt aber von der Sünde; wie es 22. dist. 2. Sent. heißt: „Adam hat weniger gesündigt, weil er hoffte, Verzeihung zu erhalten.“ Auf der anderen Seite handelt es sich hier um eine Gattung unter den Sünden gegen den heiligen Geist.
b) Ich antworte, da das freventliche Vornehmen im Begehren dem Falschen in der Vernunft gleichförmig ist, so sei es ebenso Sünde, wie dies oben von der Verzweiflung nachgewiesen worden. Denn wie es falsch ist, daß Gott den Reuigen nicht verzeiht; so ist es desgleichen falsch, daß er den Sündern, die sich nicht bessern wollen, verzeiht und daß er denen, die nichts Gutes thun, die Seligkeit giebt. Also ist das freventliche Vornehmen Sünde; aber nicht eine so große wie die Verzweiflung. Denn Gott entspricht es mehr zu verzeihen und sich zu erbarmen, wie zu strafen; da Jenes Gottes Wesen an sich zukommt, Dieses aber auf Grund unserer Sünden.
c) I. „Vornehmen“ steht oft einfach für „hoffen“. II. Nicht daß jemand zu viel von Gott hofft, ist die Sünde des freventlichen Vornehmens; sondern daß er das hofft, was sich für Gott zu geben nicht geziemt. Das ist aber eigentlich weniger hoffen; denn das heißt die göttliche Kraft vermindern. III. Sündigen mit dem Vorsatze, in der Sünde zu bleiben gestützt auf die Hoffnung der Verzeihung heißt „freventliches Vornehmen.“ Sündigen aber mit dem Vorsatze, von der Sünde sich später zu enthalten, sie zu bereuen und so Verzeihung zu erhalten, vermindert das Sündhafte; denn dies macht offenbar, daß der Wille wenig gefestigt ist in der Sünde.
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