Dritter Artikel. Die vernunftlosen Wesen sind nicht kraft heiliger Liebe zu lieben.
a) Dies scheint unwahr. Denn: I. Durch die heilige Liebe werden wir Gott ähnlich. „Gott aber liebt Alles was ist,“ nach Sap. 2.; also auch die vernunftlosen Wesen. Und Er liebt Alles kraft Seiner selbst, also kraft der heiligen Liebe. II. Die heilige Liebe erstreckt sich auf Alles, soweit es Gott angehört. Wie aber kraft des Bildes in ihr die vernünftige Kreatur zu Gott gehört, so die vernunftlose kraft der Spur Gottes, die in ihr ist. III. Wie für die heilige Liebe, so ist auch für den Glauben Gott der Gegenstand. Der Glaube aber erstreckt sich auf die vernunftlofen Kreaturen; denn wir glauben, daß Himmel und Erde, Fische und Vögel etc. von Gott geschaffen sind. Also ist dies auch für die Liebe der Fall. Auf der anderen Seite erstreckt sich die Zuneigung der heiligen Liebe auf Gott und den Nächsten. Unter dem Nächsten kann aber nicht die vernunftlose Kreatur verstanden werden; denn sie hat mit dem Menschen nicht die Vernunft gemeinsam. Also.
b) Ich antworte, die heilige Liebe sei eine gewisse Freundschaft. Kraft der Freundschaft aber wird etwas geliebt: 1. wie der Freund, mit dem uns die Freundschaft verbindet; 2. wie das Gute, was dem Freunde gewünscht wird. In der erstgenannten Weise nun kann kein vernunftloses Wesen aus Freundschaftsliebe geliebt werden. Denn
a) kraft der Freundschaft wollen wir dem Freunde Gutes. Gutes aber können wir im eigentlichen Sinne der vernunftlosen Kreatur nicht wollen; denn ihr ist kein Gut eigen, weil nur die vernünftige Kreatur freie Verfügung hat über das Gute was sie besitzt: „Solchen Dingen,“ sagt daher Aristoteles, „begegnet Gutes oder Schlechtes, nur gemäß einer gewissen Analogie oder Ähnlichkeit.“ Ferner ist
b) die Freundschaft gegründet auf einer Gemeinsamkeit im Leben; denn nichts ist so eigen der Freundschaft wie ein gutes Leben. (8 Ethic. 3.) Die vernunftlosen Kreaturen aber haben nichts gemein mit dem vernünftigen Leben. Endlich ist
c) zumal die heilige Liebe gegründet auf die Mitteilung der ewigen Seligkeit, deren die vernunftlose Kreatur nicht fähig ist. Die Freundschaft heiliger Liebe kann also den Menschen nicht mit der vernunftlosen Kreatur verbinden. Jedoch können aus heiliger Liebe die vernunftlosen Kreaturen geliebt werden wie etwas Gutes, was wir anderen wollen; insofern wir aus heiliger Liebe wollen, daß sie bestehen bleiben zur Ehre Gottes und zum Nutzen der Menschen; — und so liebt sie Gott ebenfalls.
c) I. Ist damit beantwortet. II. Nur die Ähnlichkeit des Bildes verleiht die Fähigkeit, am ewigen Leben teilzunehmen. III. Der Glaube erstreckt sich auf alles Wahre; die heilige Liebe «auf Alles, was an der Seligkeit teilnehmen kann.
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