Elfter Artikel. Das Verhältnis der Liebe des Mannes zu seiner Gattin.
a) Der Mann muß seine Gattin mehr lieben als den Vater und die Mutter. Denn: I. So steht es Gen. 2.: „Wegen seiner Gattin wird der Mann Vater und Mutter verlassen.“ II. Ephes. 5. ermahnt Paulus, „die Männer sollen ihre Frauen wiesich selbst lieben.“ Der Mensch aber muß sich selbst mehr lieben wie die Eltern. III. Zwischen Mann und Frau sind mehr Gesichtspunkte, unter denen die Liebe statthaben soll. Denn, sagt Aristoteles (8 Ethic. 12.): „In dieser Freundschaft ist vertreten der Nutzen, das Ergötzliche und das Tugendhafte, wenn die Gatten tugendhaft sind.“ IV. Auf der anderen Seite „soll der Mann seine Frau lieben wie sein eigen Fleisch.“ (Ephes. 5.) Seinen Körper aber soll der Mensch weniger lieben wie den Nächsten; also jedenfalls weniger wie die Eltern.
b) Ich antworte, wird der Charakter des Guten erwogen, so seien die Eltern mehr zu lieben wie die Gattin; denn sie werden geliebt unter dem Gesichtspunkte des Princips und somit als ein hervorragenderes Gut. Wird jedoch die Verbindung mit dem liebenden erwogen, so ist die Frau mehr zu lieben; denn nach Matth. 19. „sind es nicht mehr zwei, sondern es ist ein Fleisch.“ Somit wird die Gattin mit mehr Kraft geliebt; die höhere Ehrfurcht aber gebührt den Eltern.
c) I. Nicht in Allem wird Vater und Mutter um der Gattin willen verlassen; denn in Manchem muß der Mensch mehr den Eltern beistehen wie der Gattin. Nur mit Rücksicht auf das eheliche Zusammenleben und den sonstigen gegenseitigen Verkehr muß der Mann viel mehr der Frau anhängen wie den Eltern. II. Nicht im gleichen Maße wie sich selbst soll der Mann die Frau lieben; die Liebe vielmehr, welche jemand zu sich selbst hat, ist der maßgebende Grund für die Liebe zu der mit ihm verbundenen Frau. III. Auch in der väterlichen Freundschaft bestehen mannigfache Gesichtspunkte; und in Vielem wiegen sie denen in der Gattenliebe vor. IV. Auch hier schließt das „wie“ keine Gleichheit ein, sondern giebt den maßgebenden Grund der Liebe an. Denn zumal auf Grund der körperlichen Verbindung liebt der Mann die Frau.
