Neunter Artikel. Die Besorgnis gehört zur Klugheit.
a) Dem wird widersprochen. Denn: I. Die Besorgnis schließt Unruhe ein. „Besorgt nämlich ist jener, der unruhig ist.“ (Isidor. 10 Etymol. litt. S.) Die Ruhe und Bewegung aber bezieht sich zumal auf den Willen. Also ist dies auch bei der Besorgnis der Fall; und somit hat sie nichts mit der Klugheit zu schaffen, die in der Vernunft sich findet. II. Die Besorgnis steht gegenüber der Gewißheit der Wahrheit, nach 1. Kon. 9. „Sei nicht besorgt um die Esel, die du vorgestern verloren; sie sind gefunden.“ Die Gewißheit der Wahrheit aber hat Beziehung zur Klugheit als einer Tugend in der Vernunft; und somit steht die Sorge vielmehr gegenüber der Klugheit. III. 4 Ethic. 3. heißt es: „Dem Hochherzigen kommt es zu, in ruhiger Muße zu leben.“ Ruhiger Muße aber steht gegenüber die Besorgnis. Da also die Klugheit nicht der Hochherzigkeit entgegen ist, ist doch Beides eine Tugend; so steht auch nicht die Sorge in Beziehung oder gehört zur Klugheit, sondern ist vielmehr zu ihr im Gegensatze. Auf der anderen Seite sagt Petrus (1, 4.): „Seid klug und wachet im Gebete;“ was Letzteres auf die Sorge hindeutet.
b) Ich antworte; „besorgt wird“ nach Isidor (10 Etymol. litt. S.) „jener genannt, der mit einem gewissen Eifer schnell daran geht, um zu handeln.“ Dies aber gehört zur Klugheit, die ja nach der Beratung und der Beurteilung vorschreibt das, was zu thun ist. Deshalb sagt Aristoteles (6 Ethic. 9.): „Langsam müsse man sein im Beraten, schnell im Handeln;“ und Augustin (de morib. Eccl. 24.): „Die Klugheit will sagen Nachtwachen; sie ist eine höchst sorgsame Wachsamkeit, damit wir nicht nach und nach durch schlechte Überredungskünste getäuscht werden.“
c) I. Der Wille bewegt allerdings; aber nach der Vorschrift der Vernunft, deren Sache es ist, Sorge zu haben. II. 1 Ethic. 3. heißt es: „Man kann nicht die nämliche Stufe der Gewißheit in allen Dingen haben, sondern je nach den Verhältnissen.“ Da nun die Klugheit die menschliche Thätigkeit unter einzelnen, oft dem Zufalle preisgegebenen Umständen leitet, so kann die Gewißheit keine solche sein, daß jede Sorge gehoben ist. III. Der Hochherzige ist nicht überflüssigerweise besorgt und unruhig; sondern er verläßt sich auf jene, auf die er sich verlassen soll und hat deshalb keine unnützen Sorgen. Furcht und Mißtrauen nämlich vermehren die Sorge.