Dritter Artikel. Die Überstürzung ist eine in der Unklugheit enthaltene Sünde.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Die Unklugheit steht der Klugheit entgegen; die Überstürzung aber der Gabe des Rates. (Gregor. 2. moral. 26.) II. Die Überstürzung gehört zur Verwegenheit; diese aber ist Vermessenheit, und gehört somit zum Stolze. III. Die Überstürzung ist zu große Eile im Beraten. Man kann im Beraten aber auch zu langsam sein. Also müßte, wenn die Überstürzung zur Unklugheit gehörte, auch die zu große Langsamkeit darin enthalten sein. Auf der anderen Seite heißt es Prov. 4.: „Der Weg der Gottlosen ist dunkel; sie wissen nicht, wo sie zusammenstürzen.“ Die dunklen Wege nun gehören zur Unklugheit; also auch das Zusammenstürzen oder die Überstürzung.
b) Ich antworte, „Überstürzen“ sage man von jemandem, der infolge eines Stoßes oder seines eigenen Eifers ungeregelterweise, nicht auf den regelrechten Stufen, von der Höhe zur Tiefe kommt. Die Höhe der Seele nun ist die Vernunft; die Tiefe ist das äußere Werk, was der Körper ausführt. Die Stufen sind das Gedächtnis rücksichtlich des Vergangenen; das Verständnis rücksichtlich des Gegenwärtigen; die Besorgtheit im Auffinden guter Ratschläge; das Vergleichen des Einen mit dem Anderen vermittelst der Kraft zu schließen; die Gelehrigkeit gegenüber den Weiseren; und durch diese Stufen steigt hinab, wer geregelterweise Rat nimmt. Wen aber die Leidenschaft oder der böse Wille stößt, daß er diese Stufen nicht beachtet, der handelt mit Überstürzung. Und somit ist letztere als Ungeregeltheit im Beraten offenbar in der Unklugheit enthalten.
c) I. Der gute und rechte Rat gehört in verschiedener Weise zur Gabe des heiligen Geistes und zur Tugend der Klugheit. (Kap. 52, Art. 2.) Die Überstürzung steht beiden entgegen. II. Jenes geschieht mit Verwegenheit, was ohne Vernunft geschieht. Das aber kann geschehen 1. infolge des Anstoßes der Leidenschaft oder des Willens; 2. infolge der Verachtung der leitenden Regel. Letzteres nun ist so recht eigentlich Verwegenheit und kommt von der Würze! des Hochmutes, welcher der göttlichen Regel nicht unterliegen will. Die Überstürzung bezieht sich auf Beides, obgleich sie hauptsächlich das Erstgenannte berücksichtigt. Danach wäre die Verwegenheit also in der Überstürzung enthalten. III. Beim Untersuchen im Beraten sind viele Einzelheiten zu beachten. Deshalb „muß man langsam sein im Beraten.“ (6 Ethic. 9.) Die Überstürzung also steht in unmittelbarerem Gegensatze zum Beraten wie die zu große Langsamkeit.
