Dritter Artikel. Wesen des Diebstahles ist, heimlich fremdes Gut an sich zu nehmen.
a) Dem steht entgegen: I. Im Verborgenen sündigen vermindert die Schuld, wie vom Gegenteile der Prophet sagt (Isai. 3.): „Ihre Sünde haben sie wie Sodoma laut gepriesen; nicht haben sie dieselbe verborgen.“ Also gehört das „heimlich“ nicht zum maßgebenden Wesen einer Sünde. II. Ambrosius sagt (serm. 64. de temp.): „Nicht minder sündhaft ist es, an sich zu nehmen was ein anderer hat, wie den bedürftigen Beistand zu verweigern, da du doch Überfluß hast.“ Also besteht der Diebstahl nicht allein im Ansichnehmen von fremdem Gut, sondern auch im Behalten desselben. III. Auch was der eine beim anderen niedergelegt hat, also was sein ist, kann jemand heimlich an sich nehmen. Also ist Diebstahl nicht das heimliche Ansichnehmen fremden Gutes. Auf der anderen Seite steht die Autorität Isidors. (10 Etymol. lit. f.)
b) Ich antworte, das Wesen des Diebstahles setze sich aus drei Elementen zusammen: 1. aus dem Gegensatze zur Gerechtigkeit, die jedem das Seine giebt; und danach nimmt der Dieb fremdes Gut an sich; — 2. aus dem Unrechte, das jemand, nicht zwar der Person, aber den Sachen eines anderen zufügt; und danach ist nicht eigentlich ein Dieb, der ein Glied dem anderen abhaut oder die Tochter oder Gattin des anderen entführt, sondern der das von diesem Besessene an sich reißt; — 3. aus dem heimlichen Vorgehen. Also ist „das heimliche Ansichnehmen fremden Gutes“ der Wesenscharakter des Diebstahls.
c) I. Das Heimliche ist manchmal Ursache zur Sünde, wenn, wie beim Stehlen und Betrügen, man sich darauf stützt und davon gerade die Sünde ausgeht; und so vermindert es nicht, sondern bildet das Wesen der Sünde. Manchmal aber ist das Heimliche nur ein Umstand; und so mindert es die Sünde, sowohl weil es ein Zeichen innerer Scham ist als auch weil das Ärgernis dadurch vermieden wird. II. Behalten etwas, was einem anderen geschuldet wird, steht auf der nämlichen Stufe wie das Ansichnehmen. Unter Letzterem wird auch das Erstere verstanden. III. Es kann recht wohl etwas schlechthin dem einen gehören und unter gewisser Rücksicht dem anderen. So ist die bei jemandem niedergelegte, ihm anvertraute Sache schlechthin ein Eigentum des anvertrauenden; die Behütung aber derselben liegt dem anderen ob, bei welchem sie niedergelegt ist.
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