Zweiter Artikel. In Gott besteht eine Zeugung.
a) Dagegen spricht: I. Daß Zeugung im Gegensatze zum Vergehen eine Änderung ist, die vom Nichtsein beginnt und in Sein endet, wo also Sein dem Nichtsein folgt; während beiden, dem betreffenden Nichtsein und dem Sein, wie z. B. dem Nicht-Menschsein und dem Menschsein der Stoff als Vermögen etwas zu Werden gemeinschaftlich zu Grunde liegt. Von diesem allem kann aber bei Gott nicht die Rede sein; — II.. daß bei uns ein Ausgehen nach der Weise des Vernünftigen, wie dies Artikel 1 bezeichnete, nicht „Zeugung“ genannt, wird; III. daß alles Gezeugte sein Sein erhält vom Zeugenden. Das Sein also von jeglichem Erzeugten ist empfangenes Sein. Kein Sein aber, was empfangen und aufgenommen worden, also vom empfangenden Subjekte getragen wird, ist ein von sich aus bereits in sich bestehendes Sein. Da nun das göttliche Sein ein in sich bestehendes und kein von etwas Anderem als von einem Subjekte getragenes oder empfangenes Sein ist, so folgt, daß kein erzeugtes Sein als göttliches Sein bezeichnet werden kann. Auf der anderen Seite sagt der 2. Psalm: „Heute habe ich dich gezeugt.“
b) Ich antworte, das Ausgehen des Wortes wird in Gott Zeugung genannt. Zur Klarstellung dieser Behauptung ist zu erwägen, daß wir uns des Wortes „Zeugung“ in doppeltem Sinne bedienen: Einmal umfassen wir mit dieser Bezeichnung alles, was entstehen und vergehen kann; und so ist Zeugung nichts Anderes als eine Änderung aus Nichtsein in Sein. Dann wenden wir dieses Wort in besonderer Weise auf das Lebendige an; und so bezeichnet Zeugung den Ursprung eines lebenden Dinges von einem mit ihm verbundenen Princip; was dann im eigentlichen Sinne „geboren werden“ genannt wird. Dabei muß jedoch bemerkt werden, daß nicht jegliches lebende Ding, was von einem mit ihm verbundenen Princip kommt, als „gezeugt“ bezeichnet wird; sondern nur das, was im eigentlichsten Sinne, nämlich dem Wesen nach, gemäß der Ähnlichkeit ausgeht. Demnach hat das Haar z. B. nicht den Charakter des Gezeugten oder des Sohnes; sondern nur, was dem Wesen der Gattung gemäß dem ähnlich ist, von dem es ausgeht. Auch die Würmer, welche aus den tierischen Körpern entstehen, sind im Verhältnisse zu letzteren nicht gezeugt, sind keine Söhne; denn nur die „Art“, das „lebende“ Moment ist ihnen mit dem gemeinsam, wovon sie ausgehen; während, um von Zeugung und Sohnschaft sprechen zu können, das Wesen oder die Natur der Gattung gemeinsam sein muß zwischen dem „Ausgehenden“ und dem, wovon es ausgeht; wie der Mensch vom Menschen ausgeht und das Pferd vom Pferde. In solchen lebenden Wesen also, welche vom Vermögen, zu sein, in das wirkliche Sein, also vom betreffenden Nichtsein zum Sein übergehen, wie in Menschen und Tieren, schließt das Wort „Zeugung“ sowohl die allemeine, ersterwähnte Anwendung auf alles Entstehen und Vergehen im Stoffe in sich ein, als auch die besondere Anwendung auf das Lebende. Giebt es aber ein lebendes Sein, dessen Leben nicht erst aus einem Vermögen für das Sein wirkliches Sein wird, so wird bei ihm, falls ein Ausgehen in selbem vorhanden ist, die selbe Bedeutung oder Anwendung des Wortes ganz und gar ausgeschlossen; und dieses Ausgehen hat dann nur jene besondere Zeugung, die den lebenden Wesen eigen ist. In dieser Weise nun besitzt das Ausgehen des „Wortes“ in Gott den Charakter wahrer Zeugung: Denn es geht aus einerseits nach der Weise, wie es die vernünftige Thätigkeit erfordert, die doch Thätigkeit des Lebens genannt wird; und andererseits geht es aus von einem mit ihm verbundenen Princip nach Maßgabe der Ähnlichkeit; denn die Auffassung der Vernunft ist die Ähnlichkeit des verstandenen Dinges. Und endlich existiert es in ganz ein und derselben Natur; da ja in Gott ein und dasselbe ist: Erkennen, Auffassen und Sein. Deshalb wird das Ausgehen des „Wortes“ in Gott Zeugung genannt und das ausgehende Wort selber: Sohn. I. Der erste Einwurf geht von der ersterwähnten allgemeinen Anwendung des Wortes „Zeugung“ aus; insoweit dasselbe den Ausgang von einem Vermögen für das Sein zum Wirklichsein bedeutet. Dies hat aber nicht statt in Gott. II. Das Erkennen oder Verstehen in uns ist nicht die Substanz selber der Vemunft. Somit ist das „Wort“, welches gemähß vernünftiger Thätigkeit in uns hervorgeht, nicht der gleichen Natur mit dem, wovon es augeht: es hat nicht die menschliche Substanz. Also kommt ihm die Zeugung nicht im eigentlichen Sinne zu. Das göttliche Verstehen aber ist die göttliche Substanz. Und somit geht das „Wort“ aus als in der ganz und gar gleichen Natur für sich bestehend; und wird sonach mit vollem Recht „gezeugt“ oder „Sohn“ genannt. Demgemäß gebraucht mit Rücksicht darauf die heilige Schrift entsprechende Worte. So heißt es Prov. 9.: „Die Abgründe waren noch nicht; und ich war schon empfangen... vor den Hügeln wurde ich gezeugt.“ Für unsere Vernunft bedienen wir uns des Wortes „Empfängnis“, „Zeugung“, weil im „Worte“ unserer Vernunft die Ähnlichkeit mit der verstandenen Sache gefunden wird; wenn auch nicht dieselbe und gleiche Natur. III. Nicht alles, was empfangen wird, ist in einem Subjekte aufgenommen und getragen. Sonst könnte nicht gesagt werden, daß die ganze Substanz eines Dinges von Gott her empfangen sei, da die ganze Substanz eines Dinges nicht mehr in einem anderen als einem tragenden und aufnehmenden Subjekte sich findet. So also erhält, was in Gott „gezeugt“ ist, das Sein vom „Zeugenden“; nicht als ob nun diees Sein aufgenommen und getragen sei von einem anderen als dem Subjekte oder von der Materie, wie das Holz die Dreiecksform trägt; das ist gegen das In-sich-bestehen des göttlichen Seins. Vielmehr wird dieses Sein in der Weise empfangen, insofern der Ausgehende von einem Anderen das göttliche Sein hat; nicht insofern Er etwas Anderes wäre als das göttliche Sein. Denn in der einen göttlichen Vollkommenheit selber ist enthalten sowohl das „Wort“, welches nach Weise des Vernünftigen ausgeht, als auch das „Princip des Wortes“ und was auch immer zu dessen Vollendung gehört.
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