Vierter Artikel. Vier dem wirklichen Sein nach voneinander verschiedene „Relationen“ bestehen in Gott: Die Vaterschaft, die Sohnschaft, das Hauchen und Gehaucht werden.
a) Gegen diese Zahl spricht: I. In Gott muß erwogen werden die Beziehung des Erkennenden zum Erkannten, des Wollenden zum Gewollten. Und zwar scheinen diese Beziehungen dem wirklichen Sein nach zu bestehen; sie finden sich aber nicht unter den genannten „Relationen“. II. Die wirklich bestehenden „Relationen“ in Gott werden erwogen gemäß dem Ausgehen des geistig erkennbaren Wortes. Solche Relationen aber gemäß der Erkennbarkeit werden endlos vervielfältigt, wie Avicenna sagt. Also sind in Gott endlos viele Relationen. III. Die Ideen der Dinge sind in Gott von Ewigkeit. Solche Ideen aber unterscheiden sich voneinander nicht, außer auf Grund der Beziehung, welche sie zu den Dingen haben. Also sind in Gott bei weitem mehr ewige Relationen. IV. Gleichheit, Ähnlichkeit, Einerleiheit sind Beziehungen oder Relationen und bestehen in Gott von Ewigkeit. Also sind an Zahl mehr Relationen als vier. Auf der anderen Seite scheinen wenigere zu sein. Denn, wie Aristoteles (3 Phys.) sagt, „ist es ein und derselbe Weg, der von Theben nach Athen führt und der von Athen nach Theben geht.“ Also scheint aub demselben Grunde es ein und dieselbe „Relation“ zu sein vom Vater zum Sohne, die da „Vaterschaft“ genannt wird; und die vom Sohne zum Vater, welche „Sohnschaft“ heißt.
b) Ich antworte, daß jede Beziehung oder Relation nach Aristoteles (5 Metaph.) sich entweder auf den Umfang gründet, wie doppelt und halb; oder auf das Thätigsein und Leiden, wie Vater und Sohn, Herr und Knecht etc. Da in Gott nun kein Umfang sich findet (ohne Umfang ist Er groß, sagt. Augustin (I. de Trin. cap. 1.), so darf eine jede wirkliche Relation in Gott sich nur auf die Thätigkeit gründen. Dabei ist jene Thätigkeit ausgeschlossen, welche nach außen hin auf die Kreaturen sich richtet; denn die Beziehungen Gottes zu den Kreaturen sind dem wirklichen Sein nach nicht in Ihm, da Er von letzteren nicht abhängt. Also bleibt nur jenes Thätigsein übrig, dessen Zielpunkt innerhalb der Natur Gottes selber ist und welchem gemäß etwas nach innen hin ausgeht. Nur ein zweifaches derartiges Ausgehen giebt es aber, wie oben erklärt worden (Kap. 27, Art. 3): Das eine gemäß der Thätigkeit der Vernunft, das Ausgehen des Wortes; das andere gemäß der Thätigkeit des Willens, das Ausgehen der Liebe. Nun müssen bei einem jeden derartigen Ausgehen zwei einander entgegengesetzte „Relationen“ angenommen werden, von denen die eine dem Princip angehört, wovon etwas ausgeht, die andere dem, was ausgeht. Es wird nun das Ausgehen des Wortes „Zeugung“ genannt gemäß der eigentlichen Bedeutung dieses Ausdruckes, wie er den lebenden Dingen zukommt. Da wird aber das Princip, von dem die Zeugung ausgeht, „Vater“ genannt; und daher besteht in Gott die „Relation“: Vaterschaft. Das, was vom Princip ausgeht, heißt „Sohn“; und daher besteht in Gott die „Relation“: Sohnschaft. Das Ausgehen der Liebe hat keinen so recht eigentlichen Namen und somit haben dies auch nicht die entsprechenden „Relationen“. Es wird jedoch die dem Princip eigentümliche „Relation“ nach dieser Seite hin genannt: Hauchen (spiratio); und die beim Ausgehenden eigene „Relation“: Gehaucht werden oder allgemein Ausgehen (processio). Beide letztere Bezeichnungen spiratio und processio drücken jedoch mehr den Ursprung der „Relationen“ aus wie diese selbst.
c) I. Wo die Vernunft dem wirklichen Sein nach verschieden ist vom Erkannten oder die Wissenschaft vom Gewußten und ebenso der Wille vom Gewollten; da kann eine wirkliche Relation vorhanden sein. In Gott aber ist thatsächlich ein und dasselbe das Erkennen und das Erkannte, das Wollen und das Gewollte. Also können von dieser Seite her keine wirkliche Relationen in Gott existieren. Die Beziehung oder „Relation“ jedoch zum Worte ist in Gott eine dem wirklichen Sein nach bestehende; weil da das Wort nicht als das Verstandene aufgefaßt wird, sondern als ausgehend von dem Erkennenden vermittelst geistiger Thätigkeit. Denn wenn wir den Stein erkennen, insoweit er von seiten der Vernunft aus dem vorliegenden Steine heraus aufgefaßt ist und nun in derselben existiert, wird er Wort genannt. II. Bei uns vervielfältigen sich ins Endlose die Beziehungen der Vernunft. Denn mit einem anderen Alte verstehen wir den Stein; mit einem anderen wieder verstehen wir, daß wir den Stein verstehen und mit einem neuen Erlenntnisakte wieder dies letztere und so endlos weiter. Gott aber erschöpft in einem einzigen Alte alles Erkennbare. III. Die Beziehungen, welche den Ideen entsprechen, sind Gegenstände des göttlichen Erkennens. Aus ihrer Vielfältigkeit folgt also, daß Gott sehr viele Beziehungen erkennt; nicht aber daß sie in ihm sind. IV. Gleichheit etc. sind keine wirklichen Relationen, sondern nur Gedankendinge. V. Der Weg hin und zurück ist wohl derselbe; aber die Beziehungen zu einem und zum anderen sind verschiedene. Also daraus folgt nicht, daß die Beziehung des Vaters zum Sohne dieselbe sei wie die des Sohnes zum Vater.
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