Dritter Artikel. Der Götzendienst ist die schwerste Sünde.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Das Schlechteste steht zum Besten im Gegensatze. Besser aber ist der innere Kult, der in Glaube, Hoffnung und Liebe besteht, wie der äußere. Also sind der Unglaube, die Verzweiflung, der Haß Gottes größere Sünden wie der Götzendienst. II. Die schwerere Sünde richtet sich auch in höherem Grade gegen Gott. Mehr gegen Gott gerichtet aber ist die Lästerung oder die Bekämpfung des Glaubens, als die Erweisung göttlicher Ehren den Kreaturen gegenüber. Also. III. Mindere Übel werden durch größere gestraft. Die Sünde des Götzendienstes aber ist nach Röm. 1. bestraft worden durch die Sünde gegen die Natur. Also ist letztere ein schwereres Übel. IV. Augustin (20. cont. Faust. 9.) schreibt: „Wir nennen euch nicht Heiden (die Manichäer), wohl aber seid ihr ihnen in Manchem ähnlich, weil ihr viele Götter verehrt; darin jedoch seid ihr bei weitem schlechter wie die Heiden, daß diese wenigstens verehren Dinge, die existieren, wenn sie auch nicht als Gott zu verehren sind; ihr aber verehrt als Gott das, was gar keine Existenz hat.“ Also ist die Ketzerei schlimmer wie der Götzendienst. V. Zu Gal. 4. (Quomodo convertimini) sagt die Glosse: „Die Beobachtung des Gesetzes, dem sie damals zugewandt waren, war für sie eine beinahe dem Götzendienste gleiche Sünde, dem sie vor ihrer Bekehrung sich ergeben hatten.“ Also ist der Götzendienst nicht die schwerste Sünde. Auf der anderen Seite sagt zu Lev. 15. die Glosse: „Jede Sünde ist Unreinheit der Seele; am meisten aber der Götzendienst.“
b) Ich antworte: Wird die Sünde des Götzendienstes an sich betrachtet, so ist keine Sünde schwerer. Denn wie im irdischen Gemeinwesen am schwersten sich verfehlt, wer königliche Ehren einem anderen erweist wie dem wahren Könige, weil er dadurch die ganze staatliche Ordnung verkehrt; ist unter den Sünden, welche unmittelbar gegen Gott sich wenden, also unter den größten, die größte der Götzendienst, weil der Götzendiener sich einen anderen Gott macht und so den göttlichen Vorrang vermindert. Kommt freilich die Verfassung des Sünders in Betracht, insoweit wer aus Unkenntnis z. B. sündigt minder sündigt wie jener, der aus Bosheit, mit Vorwissen nämlich sündigt, so steht dem nichts entgegen, daß die Häretiker schwerer sündigen, die mit Vorwissen den Glauben verderben, wie die Götzendiener, die unwissend sündigen. Und so können auch andere Sünden größer sein, die mehr aus innerer Verachtung und Bosheit des Sünders hervorgehen.
c) I. Der Götzendienst fügt zum inneren Unglauben noch hinzu den ungebührenden äußeren Kult. Ist aber nur äußerlich der Götzendienst ohne inneren Unglauben, so tritt hinzu die Heuchelei. II. Der Götzendienst schließt eine große Gotteslästerung in sich, denn er entzieht Gott seine einzig dastehende Herrschaft; und den Glauben bekämpft er durch feine Werke. III. Zum Charakter der Strafe gehört das Unfreiwillige. Also muß die Sünde, wodurch eine andere Sünde bestraft wird, zwar mehr offenbar sein, damit dadurch der Mensch für sich selbst und für andere ein Gegenstand tieferen Abscheus werde; nicht aber muß sie schwerer sein. Die Sünde gegen die Natur ist somit wohl nicht so schwer wie die des Götzendienstes, aber sie ist mehr offenbar und danach eine dem Götzendienste entsprechende Strafe; damit nämlich wie der Götzendiener die Ordnung der göttlichen Ehre verkehrt, so auch er in sich die verderblichste Verkehrtheit seiner Natur erleide. IV. Auch in der „Art“ der Sünde ist die Häresie der Manichäer eine schwerere Sünde wie der Götzendienst der anderen Götzendiener. Denns sie schädigen in höherem Grade die göttliche Ehre, da sie zwei Götter annehmen, die einander entgegengesetzt sind und viel Eitles und Gottloses über Gott sagen. Anders verhält es sich mit den anderen Häretikern, die einen einigen Gott bekennen und Ihn allein anbeten. V. Die Beobachtung der Vorschriften des Gesetzes zur Zeit der Gnade ist nicht durchaus, aber beinahe gleich dem Götzendienste, was die „Art“ der Sünde oder die Sünde an sich anbelangt; denn beide Sünden sind verderblicher Aberglaube.
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