Zweiter Artikel. Der Geiz ist eine specielle, von den anderen verschiedene Süde.
a) Dem wird widersprochen. Denn: I. „Der Geiz,“ sagt Augustin (3. de lib. arbitr. 17.) „ist eine maßlose Begier; nicht bloß nach Geld und Gut, sondern nach allen beliebigen Dingen.“ Das ist aber bei jeder Sünde der Fall. II. „Geizig,“ so Isidor (10. Etymol. litt. A.) „wird genannt, der nach Geld gierig ist.“ Mit Geld aber werden abgeschätzt alle äußeren Güter. Also ist der Geiz die Gier nach jedem äußerlichen Gute. Und somit ist er eine allgemeine Bedingung für jede Sünde. III. Zu Röm. 7. (Nam concupiscentiam) sagt Augustin (de spir. et litt. 4.): „Gut ist das Gesetz, welches, da es die Begierde verbietet, jedes Übel verbietet.“ Im besonderen Sinne aber wird die Begierde des Geizes verboten, weshalb Exod. 20. es heißt: „Du sollst nicht begehren das Eigentum deines Nächsten.“ Also jedes Übel ist Geiz. Auf der anderen Seite zählt Paulus (Röm. 1.) neben anderen besonderen Sünden den Geiz auf.
b) Ich antworte, die Sünden erhalten ihren Wesenscharakter vom Gegenstande her. Gegenstand der Sünde aber ist jenes Gut, wonach das ungeregelte Begehren strebt. Wo also ein besonderes Gut ist, was ungeregelt erstrebt wird; da muß auch der maßgebende Grund für eine eigene besondere Sünde vorhanden sein. Nun ist dem Wesenscharakter nach es ein anderes Gut: das rein ergötzliche und das nützliche. Der Reichtum aber besitzt an sich den Charakter eines nützlichen Gutes; denn er wird in dem Maße erstrebt als er in den Gebrauch des Menschen kommt. Also ist eine besondere Sünde der Geiz, wonach dieses an sich nützliche Gut, das Geld oder der zeitliche Besitz, ungeregelterweise erstrebt wird. Weil jedoch dieses Wort „haben“, welches gemäß seiner ursprünglichen Bedeutung auf den Besitz sich bezieht, weil wir dessen durchaus Herr und Meister sind, auf vieles Andere angewandt wird, wie man sagt, man habe Gesundheit, man habe eine Frau; — deshalb findet sich der Name „Habsucht“ oder Geiz auch auf andere beliebige ungeregelte Begierden angewandt; wie Gregor (16. in Evgl.) sagt: „Die Habsucht sei nicht nur auf Geld gerichtet, sondern auch auf hohe Stellungen, wenn diese mit Ehrgeiz gesucht werden.“ Dieser letzten Auffassung nun gemäß ist die Habsucht eine allgemeine Sünde; und danach spricht Augustin in
c) I. II. Alle äußeren Dinge, welche von den Menschen gebraucht werden sind nützlich und werden insoweit unter dem Ausdrucke „Geld“ verstanden. Die Begierde aber nach solchen äußeren Gütern, die, wie Vergnügen, Ehre etc. mit Geld zwar erworben werden können, jedoch nicht als nützliche begehrenswert sind, wird nicht als Geiz, nämlich als die besondere Sünde des Geizes betrachtet. III. Da ist die Rede von der ungeordneten Begierde nach einer beliebigen Sache. Denn dies kann so verstanden werden, daß im Verbote der Begierde nach den Dingen, die man besitzt, die Begierde nach allen jenen Dingen eingeschlossen ist, welche durch das, was man besitzt, erlangt werden können.
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