Zweiter Artikel. Der Ehrgeiz steht der Hochherzigkeit wegen des Übermaßes gegenüber.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Bereits die Vermessenheit ist ein „zuviel“ mit Rücksicht auf die Hochherzigkeit. Also steht nicht aus dem gleichen Grunde eine zweite Tugend, der Ehrgeiz, im Gegensatze zur Hochherzigkeit. II. Die Hochherzigkeit beschäftigt sich mit den Ehren; der Ehrgeiz mit Würden und hohen Stellungen, wie es 2. Makk. heißt: „Jason verlangte aus Ehrgeiz nach dem Hohenpriestertum.“ Also ist da kein Gegensatz. III. Der Ehrgeiz scheint zu der äußeren Schaustellung zu gehören, wie es Act. 25. heißt: „Agrippa und Berenice zogen mit großem Ehrgeize in die Stadt ein;“ und 2 Paral. 16.: „Über dem Körper des Asa verbrannten sie viele Salben und Rauchwerk mit großem Ehrgeize.“ Also ist da kein Gegensatz zur Hochherzigkeit. Auf der anderen Seite sagt Cicero (1. de offic): „Im selben Maße wie jemand durch Geistesgröße hervorragt, will er im höchsten Grade allein der erste unter den anderen sein.“ Das gehört aber zum Ehrgeize. Also bedeutet der Ehrgeiz ein Übermaß der Hochherzigkeit.
b) Ich antworte, der Ehrgeiz schließe ein das ungeregelte Begehren nach Ehre. Die Hochherzigkeit aber lehrt, die Ehren zu gebrauchen wie es sich gebührt. Also ist der Ehrgeiz im Gegensatze zur Hochherzigkeit wie das Ungeregelte zum Geregelten.
c) I. Die Hochherzigkeit berücksichtigt 1. etwas als ihren Zweck, nämlich das Hervorragende gemäß der vorhandenen Kraft des Vermögens; und danach steht ihr gegenüber die Vermessenheit, welche auf etwas Hervorragendes sich richtet, aber über die bestehende Kraft hinaus; — 2. berücksichtigt sie etwas als ihren Gegenstand, mit dem sie sich beschäftigt, nämlich die Ehre; und danach steht ihr entgegen der Ehrgeiz, gemäß dem man über Gebühr nach Ehre verlangt. II. Den mit irgend einer Würde bekleideten kommt gemäß ihrem hervorragenden Stande Ehre zu; und danach gehört die ungeregelte Begier nach Würden und Ämtern zum Ehrgeize. Wer nämlich ungeregelterweise eine Würde erstrebte, nicht um der Ehre willen; sondern um sie recht zu gebrauchen, während die Würde mit ihren Anforderungen seine Kräfte übersteigt; — der wäre nicht ehrgeizig, sondern vermessen. III. Die Feierlichkeit des äußeren Kultes gegenüber einer Person gehört auch zu einer gewissen Ehre. Deshalb heißt es Jakob. 2.: „Wenn in euere Versammlung tritt ein Mann mit goldenem Ringe und glänzendem Kleide; und ihr sagt ihm: „Setze dich hier.“… Also auch betreffs der äußeren Schaustellung und des äußeren Glanzes besteht kein Ehrgeiz außer in Beziehung auf die damit verbundene Ehre.
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