Dritter Artikel. Der eitle Ruhm ist an sich keine Todsünde.
a) Das Gegenteil scheint wahr. Denn: I. Nur die Todsünde schließt vom Himmel aus. Matth. 6. aber heißt es: „Gebet acht, daß ihr euere Gerechtigkeit nicht vor den Menschen thut, damit ihr von ihnen gesehen werdet; sonst werdet ihr keinen Lohn haben bei euerem Vater, der im Himmel ist.“ II. Durch die eitle Ruhmsucht maßt sich jemand an, was Gottes ist, nach Isai. 42.: „Meinen Ruhm werde ich keinem anderen geben;“ und 1. Tim. 1.: „Gott allein der Ruhm.“ Das ist aber schwere Sünde. III. Die eitle Ruhmgier ist eine höchst gefährliche Sünde. Denn zu 1. Thess. 2. sagt Augustin (ep. 22.): „Wie viele verschiedenartige Kräfte um zu schaden die eitle Ruhmgier besitzt, empfindet nur jener, der ihr steten Krieg angesagt hat. Denn es mag noch leicht sein, das Lob nicht zu wünschen, was verweigert wird; aber schwer ist es, daran sich nicht zu erfreuen, wenn es dargeboten wird.“ Ebenso Chrysostomus zu Matth. 6. (hom. 19.): „Der eitle Ruhm tritt heimlich ein und unmerkbar nimmt er Alles fort, was an Gutem drinnen sich findet.“ Also ist der eitle Ruhm eine Todsünde. Auf der anderen Seite sagt Chrysostomus (ap. imp. hom. 13.): „Während die anderen Sünden sich finden in den Knechten des Teufels, ist der eitle Ruhm auch in den Dienern Christi,“ denen nämlich keine Todsünde innewohnt.
b) Ich antworte, Todsünde sei eine Sünde auf Grund ihres Gegensatzes zur heiligen Liebe. Mit Rücksicht auf die Nächstenliebe nun scheint der eitle Ruhm nicht der heiligen Liebe gegenüberzustehen. Mit Rücksicht auf die Liebe zu Gott aber kann dies in zweifacher Weise der Fall sein: 1. Auf Grund des Gegenstandes, dessen man sich rühmt; wenn jemand etwas Falsches sich zum Ruhme anrechnet, was der Ehre Gottes widerstreitet; wie Ezech. 28. gesagt wird: „Dein Herz hat sich erhoben; und gesagt hast du: Ich bin Gott“ und 1. Kor. 4.: „Was hast du,was du nicht empfangen hättest; hast du es aber empfangen, was rühmst du dich, als ob du es nicht empfangen hättest?“ — oder wenn man etwas Zeitliches Gott vorzieht, was Jerem. 9. verboten wird: „Es rühme sich der weise nicht in seiner Weisheit und der starke nicht in seiner Kraft und der reiche nicht in seinem Reichtume; dessen aber rühme sich der, welcher sich rühmt, daß er mich weiß und kennt;“ — oder wenn man das Zeugnis der Menschen dem Gottes vorzieht, nach Joh. 12.: „Die da liebten mehr den Ruhm vor den Menschen wie den vor Gott.“ 2. Auf Grund desjenigen, der sich rühmt und der im Ruhme seinen letzten Endzweck sieht, zu welchem hin er alles Andere, was er thut, bezieht und um dessentwillen er selbst davon nicht abläßt, zu thun, was gegen Gott ist. Deshalb sagt Augustin (5. de civ. Dei 14.): „Diese Sünde,“ nämlich die Sucht nach Menschenlob, „ist, wenn im Herzen größer ist die Ruhmgier wie die Gottesfurcht und Gottesliebe, dem wahren Glauben so feindlich, daß der Herr (Joh. 5.) sagte: Wie könnt ihr glauben, die ihr doch Ruhm von euch gegenseitig erwartet und den Ruhm, der von Gott allein kommt, nicht suchet.“ Also ist in diesen beiden Fällen die eitle Ruhmsucht Todsünde. Treten diese beiden Fälle aber nicht ein; d. h. ist sie nicht gegen die Liebe Gottes weder auf Grund des Gegenstandes, um dessentwillen man sich rühmt, noch auf Grund der Absicht des ruhmsüchtigen; so ist da läßliche Sünde.
c) I. Keiner verdient durch irgend welche Sünde das ewige Leben. Das tugendhafte Werk also verliert die Kraft, das ewige Leben zu verdienen, wenn es aus eitlem Ruhme geschieht; mag auch dieser eitle Ruhm keine Todsünde sein. Verliert aber jemand das ewige Leben überhaupt wegen des eitlen Ruhmes und nicht bloß das Verdienst eines einzelnen Aktes, so ist der eitle Ruhm schwere Sünde. II. Nicht jeglicher eitle will jenes Hervorragende, was Gott allein zukommt. Ein anderer Ruhm gebührt Gott allein und ein anderer dem tugendhaften oder reichen Menschen. III. Nicht allein weil sie manchmal schwere Sünde ist, sondern auch weil sie zu anderen Sünden den Weg bahnt, ist die eitle Ruhmsucht gefahrvoll. Denn durch dieselbe wird der Mensch vermessen, gewinnt zu große Zuversicht zu sich selbst; und wird so dazu vorbereitet, daß er seine inneren Güter verliert.
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