Fünfter Artikel. Die Geduld im Verhältnisse zur Langmut.
a) Die Geduld ist ganz dasselbe wie die Langmut. Denn: I. Augustinus sagt (l. c.): „Die Geduld Gottes wird gepriesen; nicht weil Gott Übel erträgt, sondern weil Er langmütig wartet, daß die Bösen sich bekehren.“ Deshalb sagt Ekkli. 5.: „Der Höchste ist ein geduldiger Entgelter.“ II. Die Ungeduld ist ebenso der Langmut entgegengesetzt wie der Geduld. Also ist Geduld und Langmut dasselbe. III. Die Zeit ist ebenso ein Umstand bei den zu ertragenden Übeln wie der Ort. Vom Orte aber aus wird keine Tugend genommen, die von der Geduld verschieden wäre. Also geht dies auch nicht an bei der Zeit, mit Rücksicht auf welche jedenfalls von Langmut gesprochen wird. Somit besteht kein Unterschied zwischen Langmut und Geduld. IV. Auf der anderen Seite erklärt zu Röm. 2. (An divitias) die Glosse: „Die Geduld scheint sich von der Langmut zu unterscheiden; — denn wer aus Schwäche vielmehr wie aus Bosheit fehlt, der wird ertragen in Langmut; wer aber mit hartnäckigem Vorsatze wegen seiner Sünden frohlocket, der wird mit Geduld getragen.“
b) Ich antworte, wie Hochherzigkeit jene Tugend genannt wird, kraft deren jemand seine Absicht auf Hohes und Großes richtet; so heiße Langmut jene Tugend, wonach jemand nach etwas weit Entferntem strebt. Wie also die Hochherzigkeit vorzugsweise die Hoffnung einschließt, welche auf das Gute sich richtet und nicht im selben Grade den kühnen Mut oder die Furcht oder die Trauer; so ist es auch mit der Langmut. Also scheint danach die Langmut mehr Verwandtschaft zu haben mit der Hochherzigkeit wie mit der Geduld. Sie kommt jedoch in zweierlei mit der Geduld überein: 1. weil die Stärke ebenso wie die Geduld einige Übel aushält um eines Gutes willen, was letzteres, wenn es nahe ist, mit größerer Leichtigkeit erwartet wird; ist es aber ferne, so daß man die Übel ertragen muß, die gegenwärtig sind und das Gute, um dessentwillen man das Üble erduldet, in der Ferne sich findet, so ist damit mehr Schwierigkeit verbunden; — 2. weil dieser Umstand selbst, daß das gehoffte Gut verschoben wird, geeignet ist, Trauer zu verursachen, nach Prov. 13.: „Die Hoffnung, welche verschoben wird, betrübt die Seele.“ Also kann auch im Ertragen solcher Betrübnis Geduld sein, wie im Ertragen beliebiger anderer Trauer. Demnach kann man unter dem nämlichen Gesichtspunkte des betrübenden Übels einbegreifen sowohl die Liebe zum gehofften, also weit entfernten Gute, was zur Langmut gehört; wie die Mühe, welche der Mensch aussteht in der Fortsetzung seines guten Werkes, was zur Standhaftigkeit gehört. Und insoweit also sind sowohl die Langmut wie die Standhaftigkeit in der Geduld enthalten. Deshalb sagt Cicero (2. de lnv.): „Die Geduld ist das auf Grund des Nutzens und der Ehrbarkeit freiwillige und langwierige Ertragen von großen Schwierigkeiten.“ Darin bedeutet das „Schwierige“ das Gewicht des Übels, geht also auf die Geduld; das „Langwierige“ geht auf die Langmut, soweit sie verwandt ist mit der Geduld; das „Große“ geht auf die Standhaftigkeit.
c) I. und II. sind damit beantwortet. III. Was nur dem Orte nach entfernt ist, das ist doch wenigstens in der Natur der Dinge vorhanden; was aber der Zeit nach fern ist, das besteht noch gar nicht. Also hält der Vergleich nicht stand. Und ebenso was dem Orte nach fern ist, das bietet nur Schwierigkeit auf Grund der Zeit, weil es langsamer zu uns kommt. IV. Wird zugestanden.
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