Zweiter Artikel. Der Name „Bild“ ist Eigenname des Sohnes. LV.
a) Dagegen spricht: I. „Der heilige Geist ist das Bild des Sohnes,“ sagt Damascenus (I. de orth. fide cap. 18.). Also ist dieser Ausdruck nicht dem Sohne eigen. II. Zur Natur des Bildes gehört: Ähnlichkeit dem Wesen nach zugleich mit Hervorgehen vom Urbilde. Beides aber kommt dem heiligen Geiste zu. III. Der Mensch wird auch (I. ad Cor. 11, 7.) das Bild Gottes genannt: „Der Mann ist das Bild Gottes,“ sagt Paulus. Auf der anderen Seite sagt Augustin (7. de Trin. 11.): „Der Sohn allein ist das Bild des Vaters.“ LX.
b) Ich antworte; die griechischen Kirchenlehrer nennen für gewöhnlich den heiligen Geist das Bild des Sohnes und des Vaters. Die lateinischen thun das nicht; sondern nennen den Sohn allein „Bild“. Denn in der heiligen Schrift wird nur der Sohn, nie der heilige Geist als „Bild“ bezeichnet. So Koloss. 1, 15.: „Der da ist das Bild des unsichtbaren Gottes; der Erstgeborene aller Kreatur;“ oder Hebr. 1, 3.: „Der da als Glanz der Herrlichkeit und Figur seiner Substanz . . .“ Dafür geben einige als Grund an, der Sohn habe nicht nur die Natur mit dem Vater gemein, sondern auch die Eigenheit oder die Notion, Princip zu sein, denn vom Vater und dem Sohne gehe der heilige Geist aus; darin komme der heilige Geist, von dem keine andere Person ausgeht, nicht mit dem Vater überein. Das scheint aber nicht zu genügen, denn nicht den Relationen und den entsprechenden notiones nach wird in Gott von Gleichheit oder Ungleichheit gesprochen, wie Augustinus (5. de Trin. 6.) bemerkt; und so liegt auch nicht in den Notionen die Ähnlichkeit, die zur Natur des „Bildes“ gehört. Deshalb sagen andere, der heilige Geist könne nicht „Bild des Sohnes“ genannt werden, weil von einem Bilde kein anderes entnommen wird; und auch nicht „Bild des Vaters“, weil das Bild unmittelbar auf das bezogen wird, dessen Bild es ist; der heilige Geist aber werde vermittelst des Sohnes auf den Vater bezogen. Er ist auch nicht zugleich das Bild des Vaters und des Sohnes; denn so bestände ein Bild von beiden, was unzuträglich scheint. Also ist der heilige Geist in keiner Weise ein Bild. Doch das ist gar nichts. Denn Vater und Sohn sind ein Princip des heiligen Geistes (vgl. unten Kap. 36). Sonach würde es ganz gut angehen, vom heiligen Geiste als von einem einigem Bilde des Vaters und des Sohnes zu sprechen, insoweit Vater und Sohn eins sind; wie ja auch der Mensch ein Bild der ganzen Dreieinigkeit ist. Deshalb ist vielmehr folgende Erklärung zu geben. Sowie der heilige Geist, obgleich Er durch sein „Ausgehen“ die Natur des Vaters erhält so gut wie der Sohn, trotzdem nicht als „erzeugt“, „geboren“ bezeichnet wird; so wird Er auch nicht, obgleich Er die eine Natur des Vaters empfängt, also mit voller Ähnlichkeit vom Vater ausgeht, „Bild“ genannt. Denn der Sohn geht vom Vater aus als das Wort. Der Natur des Wortes aber ist es eigen, ähnlich zu sein im Wesen mit dem, wovon es ausgeht; was der Natur der Liebe an sich nicht entspricht. Es kommt letzteres dem heiligen Geiste nur insoweit zu, als Er präcis die göttliche Liebe ist.
c) I. Damascenus und die griechischen Autoren gebrauchen für gewöhnlich den Ausdruck „Bild“ für vollkommene Ähnlichkeit. II. Der heilige Geist ist wohl ähnlich dem Vater und dem Sohne. Es kommt Ihm aber der Natur der Liebe nach an und für sich nicht zu, daß Er das Bild des Vaters sei. Er ist nur deshalb dem Vater und dem Sohne in höchster Vollkommenheit ähnlich, weil Er der göttliche Geist ist. III. Ein „Bild“ findet sich in doppelter Weise in jemandem: Einmal findet es sich in einem Sein, welches mit dem Urbilde das gleiche Wesen hat, wie der Sohn das Bild des Vaters ist; dann findet es sich in einem Sein, welches ein anderes Wesen an und für sich hat, wie das Bild des Königs z. B. auf der geprägten Münze ist. In erstgenannter Weise ist der „Sohn“ in Gott das Bild des Vaters; denn die göttliche Natur ist eine einige in ihnen. In der letztgenannten Weise wird der Mensch „Bild Gottes“ genannt; denn die beiderseitige Natur ist verschieden. Deshalb wird vom Menschen gesagt; er sei nach dem Bilde Gottes gemacht, um auszudrücken, daß er sich demgemäß vervollkommnen muß. Der Sohn Gottes aber wird „das Bild“ genannt und nicht „nach dem Bilde, zum Bilde hin“; denn nicht ad imaginem, sondern imago ist Er.
