Fünfter Artikel. Gott wird von keiner Art, die innerhalb des Seins besteht, einbegriffen: Er tritt mit keinem Sein in formale Verbindung.
a) Gegen diese Behauptung streiten zwei Eigentümlichkeiten jener bestimmten Seins-Art, die wir „Substanz“ nennen; und somit scheint es, daß Gott unter der Art oder dem genus „Substanz“ stehe; wie z. B. Mensch und Tier unter der Art „sinnbegabt“ oder animul stehen. Die Substanz nämlich ist zuvörderst nichts anderes als ein Sein, welches für sich besteht und das somit keine Zuthat, keine Eigenschaft und kein Teil eines anderen Seins ist. Das kommt aber Gott im höchsten Grade zu; Er ist im höchsten Grade „für sich bestehend“. Sodann wird jegliches Ding gemessen durch ein Maß, welches zu seiner Art gehört; wie z. B. die Länge eines Körpers durch ein Längenmaß; die Zahlen durch eine Zahl. Gott aber ist das Maß aller Substanzen, wie es im Comm. zu Metaph. X. heißt. Also ist er der Art „Substanz“ zugehörig und darin einbegriffen. Auf der anderen Seite ist eine solche Seins-Art gemäß der Auffassung der Vernunft immer früher als das, was in selbiger enthalten ist. Weder aber im thatsächlichen Sein noch gemäß der Auffassung der Vernunft kann etwas früher sein als Gott. Gott also ist in keiner „Art“ eingeschlossen und tritt mit keinem Sein in formale Verbindung.
b) Ich antworte, daß etwas in zweifacher Weise in einer „Art“ einbegriffen ist: Einmal im eigentlichen Sinne und ohne weitere Voraussetzung, wie die Gattungen „Mensch“ und „Tier“ z. B. einbegriffen sind in der Art „sinnbegabt“. Dann in dem Sinne, daß sich verschiedene Dinge auf etwas Gemeinschaftliches zurückführen lassen, wie die Principien oder Vermögen und der Mangel an etwas, was man haben müßte; so z. B. werden der Punkt und die Einheit, in deren Vermögen als Principien alle räumliche Maße und alle Zahlen eingeschlossen sind, auf die Quantität als auf die gemeinschaftliche Art zurückgeführt; und die Blindheit sowie jeder andere derartige Mangel auf die Art jenes Zustandes, dessen Thätigsein sie entfernen, die Blindheit also wird zurückgeführt auf die Art: Sehkraft. In keiner der angegebenen Weisen aber kann Gott in irgend welcher mit anderem Sein gemeinschaftlichen „Art“ einbegriffen sein. Und daß Er in nichts enthalten ist, wie etwa die Gattungen in der gemeinschaftlichen „Art“, wird auf dreifachem Wege bewiesen. , 1. Die Gattung wird gebildet durch die „Art“ und die „Differenz“, durch den Unterschied nämlich von der anderen Gattung. Immer aber verhält sich die „Differenz“, durch welche die Gattung hergestellt wird, zu jenem, wovon die „Art“ genommen wird, wie das bethätigende und bestimmende Element zum bestimmbaren Vermögen, wie der Akt zur Potenz. So z. B. wird „sinnbegabt“ (animal) genommen von der sinnlichen Natur im konkreten Sinne betrachtet, denn animal nennen wir das, was eine sinniche Natur hat; „vernünftig“ aber wird von der geistigen Natur hergenommen; denn vernünftig ist, was eine geistige Natur hat. Das Geistige aber ist im nämlichen Verhältnisse zum Sinnlichen, wie das Bestimmende oder Bethätigende zum bestimmbaren Vermögen, wie der Akt zur Potenz; und so verhält es sich überall, so daß die „Art“ immer den Charakter eines noch weiterbestimmbaren Möglichseins hat. In Gott aber ist mit der Thatsächlichkeit nicht die mindeste Bestimmbarkeit, kein Möglichsein verbunden, um etwas zu werden; in Ihm ist mit dem einfachen Seins-Akte keinerlei Potenz inbegriffen. Also ist auch nichts in Ihm, was Anlaß geben könnte, Ihn unter ein,. und dieselbe „Art“ mit anderem Sein zu bringen, so daß Er nur eine verschiedene Gattung wäre. Da Gott sein eigenes thatsächliches Sein ist, wie gezeigt worden, so müßte, wenn Gott mit irgend einem Sein die „Art“ gemeinschaftlich hätte, diese „Art“ notwendig im „Sein“ bestehen. Denn die „Art“ bezeichnet das Wesen des Dinges, da durch selbe ausgedrückt wird, was das Ding eigentlich sei. Das Sein aber kann niemals eine „Art“ begründen, wie dies Aristoteles (3. metaph.) zeigt. Denn jegliche „Art“ besitzt unter sich „Differenzen“ oder Gründe für verschiedene Gattungen, welche notwendig außerhalb der Art sind; könnten sie doch sonst keine Verschiedenheit begründen, da die „Art“ gemeinschaftlich, ihre Gattungen aber unter sich und von ihr verschieden sind. Keine „Differenz“ kann jedoch gefunden werden, welche außerhalb des Seins wäre; beim Nichtsein oder Nichts kann nicht „Differenz“ sein. Also kann Gott in keinerlei genus einbegriffen sein. 2. Alle jene Dinge, welche in der „Art“ zusammenkommen, haben demgemäß etwas Gemeinschaftliches ihrem Wesen nach; denn die „Art“ wird ausgesagt von einem Dinge, insoweit dieses ein quod quid est, eine Natur oder ein Wesen hat; wie z. B. „sinnbegabt“ vom Menschen als die „Art“ dessen innerstem Wesen gemäß ausgesagt wird! Dem thatsächlichen Sein aber nach sind diese selben Dinge voneinander verschieden. Da ist nicht ein und dasselbe „Mensch“ und „Pferd“, was, wenn allein die „Art“ animal oder snnbegabt in Betracht kommt, ganz dasselbe wäre, denn beide sind der“Art“ nach „sinnbegabt.“ Und nicht einmal das thatsächliche Sein dieses Menschen ist im einzelnen ein und das nämliche wie das thatsächliche Sein jenes Menschen. Also ist verschieden in allen diesen Beispielen das innere Wesen und noch mehr die „Art“ vom thatsächlichen Sein; denn nach dem ersteren sind sie dasselbe, nach dem letzteren, dem wirklichen Sein gemäß, sind sie verschieden. Wäre also Gott in einer „Art“ mit eingeschlossen, so müßte auch in Ihm das innere Wesen, zu dem ja die „Art“ gehört, verschieden sein von der thatsächlichen Wirklichkeit. Wesen und Sein müßten in Ihm getrennt sein, so daß das Wesen nicht das Sein und das Sein nicht das Wesen wäre. Das ist aber nicht der Fall. In Gott ist ein und dasselbe: Sein und Wesen. Also ist Er unter keiner mit anderm Sein gemeinschaftlichen „Art“. Daraus geht nun mit aller Evidenz hervor, daß Gott weder ein genus hat, noch eine die Gattung herstellende „Differenz“; und daß somit Er nur bewiesen werden kann vermittelst der Wirkungen. Denn jede Begriffsbestimmung oder Definition wird gebildet aus der „Art“, dem genus, und der Differenz. Der Beweisgrund und das Beweismittel für jeden anderen Beweis als den aus den Wirkungen ist die Definition oder der Begriff. Daß aber Gott zudem nicht unter einer „Art“ aufgeführt werden könne dadurch daß man sein Sein darauf irgendwie zurückführt, ergiebt sich bereits aus der Erwägung, daß das Princip (d. h. der Anfang), welches in seinem Vermögen Anderes in sich enthält, und das da auf eine solche „Art“ sich zurückführen läßt, sich nicht weiter erstrecken kann als diese „Art“; wie z. B. der Punkt nur der Anfang einer zusammenhängenden Quantität ist und die Einheit nur der Anfang einer Quantität, deren Teile nicht mehr zusammenhängen, sondern voneinander getrennt sind, Gott aber ist das Princip für alles Sein schlechthin. Gott ist also in keinerlei „Art“, auch nicht als pricipium.
c) Der Einwurf faßt zuvörderst den Namen „Substanz“ durchaus falsch auf. „Substanz sein“ nämlich heißt nicht bloß schlechthin „Für sich sein“; denn Sein für sich allein betrachtet kann keine „Art“ begründen, wie in Arg. 2. gezeigt worden Es bezeichnet vielmehr das Wort „Substanz“ die Wesenheit oder Natur, der es zukommt, so, nämlich „für sich zu sein“. Dieses Sein der Existenz aber ist nicht das Wesen selbst in den geschaffenen Dingen. Also ist auch Gott nicht inbegriffen in der „Art“: Substanz. Was weiter vom Maße gesagt worden, das hat nur Geltung, wenn von einem proportionierten oder in gleichem Verhältnisse stehenden Maße die Rede ist. Gott aber ist kein solches Maß. Er wird nur deshalb „Maß der Substanzen“ genannt, weil jegliches Ding in dem Maße Sein besitzt, als es Gott nahe kommt.
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