Vierter Artikel. Die Trunkenheit entschuldigt bisweilen von Sünde.
a) Dagegen spricht Folgendes: I. „Der trunkene verdient doppelte Strafe;“ heißt es 2 Ethic. 5. II. Die Sünde wird durch eine andere Sünde nicht entschuldigt, sondern vermehrt. III. „Wie die Vernunft des Menschen durch die Trunkenheit gebunden wird, so auch durch die Begierde;“ heißt es 6 Etehic. 5. Die Begierde aber entschuldigt nicht von Sünde. Auf der anderen Seite wird nach Augustin (22. cont. Faustum 44.) die Blutschande Loths entschuldigt durch die Trunkenheit.
b) Ich antworte, in der Trunkenheit sei zu erwägen die Thätigkeit selbst und der daraus folgende Mangel. Infolge des letzteren entschuldigt die Trunkenheit; denn sie bindet die Vernunft und verursacht so Unfreiwilligkeit. Ist nun von seiten der Thätigkeit diese ohne Schuld vor sich gegangen, nämlich die Trunkenheit selber, so ist die darauf folgende Sünde ganz und gar ohne Schuld; wie vielleicht bei Loth es war. War aber die Thätigkeit oder der Akt nicht ohne Schuld, so ist die darauf folgende Sünde insoweit freiwillige Schuld als der Akt der Trunkenheit freiwillig war; insoweit nämlich wer etwas Unerlaubtes thut in eine daraus folgende Sünde stürzt. Es wird jedoch immerhin die Schuld gemindert, wie Augustin bei Loth hinzufügt: „Loth hat soviel Schuld, als seine Trunkenheit eine Schuld war; nicht nach der Schwere der Blutschande.“
c) I. Doppelte Strafe wird verhängt wegen der doppelten Sünde. Oder Aristoteles spricht nach dem Gesetze eines gewissen Pittacus, welcher bestimmte, der trunkene, welcher jemanden schlägt, solle doppelt bestraft werden, wie dann, wenn dies ein nüchterner thut; worin er mehr auf den Nutzen und auf das abschreckende Beispiel sah wie auf das, was verdient worden; denn mit trunkenen muß man Nachsicht haben. II. Von seiten des folgenden Mangels entschuldigt die Trunkenheit; nicht von seiten der sündigen Thätigkeit. III. Die Begierde bindet nicht ganz die Vernunft wie die Trunkenheit; aber auch sie als Leidenschaft mindert die Schuld, denn eine Sünde aus Schwäche ist leichter wie eine aus Bosheit.
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