Dritter Artikel. Lehren ist eine Thätigkeit des thätigen Lebens.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. „Vollkommene Männer, welche wenigstens wie im Spiegel die himmlischen Güter betrachten konnten, verkünden dieselben den Brüdern und entzünden deren Herzen zur Liebe der ewigen Klarheit.“ (Greg. in Ezech. hom. 5.) Also gehört das Lehren zum beschaulichen Leben. II. Lehren ist eine Thätigkeit des Zustandes der Weisheit; denn „das Zeichen davon daß man etwas weiß, ist, daß man es lehren kann.“ (Arist. princ. Metaph.) Die Weisheit und Wissenschaft aber gehört zum beschaulichen Leben, also auch das Lehren. III. Wie die Betrachtung, so ist auch das Gebet eine Thätigkeit des beschaulichen Lebens. Das Gebet für einen anderen aber bleibt trotzdem eine Thätigkeit des beschaulichen Lebens. Also daß jemand die durch die Betrachtung gewonnene Kenntnis anderen mitteilt, steht dem nicht entgegen, daß dieses Mitteilen dem beschaulichen Leben angehörig bleibt. Auf der anderen Seite „ist das thätige Leben nichts Anderes als Brot dem hungrigen geben und Worte der Weisheit dem unwissenden zu lehren“ (l. c. hom. 14.).
b) Ich antworte, die Belehrung habe einen doppelten Gegenstand; denn sie vollzieht sich durch die Rede. Die Rede aber ist ein hörbares Zeichen dessen was innerlich aufgefaßt worden. Der eine Gegenstand des Lehrens also ist der Gegenstand der innerlichen Auffassung oder das, was aufgefaßt worden; und das gehört manchmal dem beschaulichen, manchmal dem thätigen Leben an: dem thätigen, wenn der Mensch innerlich eine Wahrheit auffaßt, um danach sich in der äußeren Thätigkeit zu richten; dem beschaulichen, wenn er innerlich eine Wahrheit auffaßt, an deren Betrachtung er sich erfreut. Demgemäß sagt Augustin (de verb. Dom. c. 27.): „Mögen sie sich den besseren Teil auswählen, das Wort pflegen, nach der Süßigkeit der Lehre sich sehnen, sich mit heilsamem Wissen befassen;“ wonach die Lehre offenbar zum beschaulichen Leben gehört. Der andere Gegenstand der Belehrung findet sich auf seiten des hörbaren Wortes; und ist somit der hörende selber Gegenstand. Mit Bezug darauf gehört alle Lehre zum thätigen Leben, zu welchem ja die Thätigkeit nach außen gehört. c>) I. Jene Stelle spricht ausdrücklich vom Gegenstande der Lehre, insoweit dieser in der Betrachtung und der Liebe der Wahrheit besteht. II. Zustand und entsprechende Thätigkeit haben zum Gegenstande das Nämliche, und also geht auch dieser Einwurf aus vom Gegenstande der inneren Auffassung. Insoweit nämlich geht es den weisen und wissenden an, zu lehren, inwieweit er die innere Auffassung mit Worten ausdrücken kann, damit er den anderen zum Verständnisse der Wahrheit führe. III. Wer für den anderen betet, ist nur Gott gegenüber thätig; wer aber einen anderen belehrt, steht mit nach außen gerichteter Thätigkeit diesem anderen gegenüber.
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