Dritter Artikel. Abgesehen vom wirklichen Sein der Relationen oder Eigenheiten, bestehen die Personen nicht; und abgesehen von den Personen ist in Gott kein einzelnes Für-sich-bestehen.
a) Dagegen spricht: I.Was zu etwas nur hinzukommt, das kann auch hinweggedacht werden und das erstere bleibt doch bestehen; z. B. „Mensch sein“ verhält sich zum „Sinnbegabten“ wie ein Zusatz und deshalb wird das „Sinnbegabt sein“ auch erfaßt ohne das hinzutretende Element „vernünftig“. „Person“ aber verhält sich zum einzelnen Für-sich-bestehen, dem suppositum oder der ὑπόστασις, wie eine Zuthat. Denn „Person ist eine Hypostasis, welche durch eine Eigenschaft hervorragt, die zur Würde gehört“. Also wenn auch die Eigenheit, in welcher die Person begründet ist, von der Person weggedacht wird, bleibt immer noch das einfache Für-sich-bestehen, suppositum, für das Verständnis zurück. II. Der Vater hat dies, daß Er Vater ist, nicht dadurch, wodurch Er hat, daß Er „jemand“ ist. Denn wenn Er „jemand“ wäre kraft der Vaterschaft, so würde folgen, der Sohn sei kein „jemand“. Abgesehen also von der Vaterschaft, wodurch Er die Person des Vaters ist, bleibt noch immer bestehen, daß Er „jemand“ ist, daß Er also für sich besteht, suppositum ist. III. Augustin (5. de Trin. 6.) sagt; „Das bedeutet nicht der Ausdruck ungezeugt, was dieser andere Ausdruck besagt Vater.“ Denn hätte Er keinen Sohn gezeugt, so würde nichts es hindern, Ihn ungezeugt zu nennen. Wird also auch die Vaterschaft fortgedacht, so bleibt noch immer ein Für-sich-bestehen, welchem das Ungezeugtsein zukommt. Auf der anderen Seite sagt Hilarius (4. de Trin.): „Nichts hat 89. der Sohn, außer daß Er geboren ist.“ Durch die Geburt in der Ewigkeit aber ist Er Sohn. Also wird die Sohnschaft fortgedacht, so bleibt kein Für-sich-bestehen übrig. Dasselbe gilt von den anderen Personen. 91.
b) Ich antworte, es bestehe eine doppelte Art und Weise für die Vernunft, von etwas abzusehen, oder etwas loszulösen: Einmal nämlich sieht die Vernunft ab, sie abstrahiert vom Besonderen und betrachtet nur das Allgemeine; wie wenn sie vom Menschen abstrahiert und nur das „Sinnbegabte“, das „animal“ betrachtet. Dann sieht sie ab von den stofflichen Einzelheiten, von Raum und Zeit, inmitten deren eine Form sich befindet; wie wenn sie die Figur des Kreises für sich betrachtet und absieht von aller sinnlich wahrnehmbaren Materie, wie Holz, Papier, Stein etc. Zwischen diesen beiden Arten, von etwas abzusehen, besteht aber folgender Unterschied. Gemäß der ersten Art, in welcher vom Besonderen abgesehen wird, bleibt das nicht bestehen, wovon abgesehen wird, denn wenn ich vom Menschen das „vernünftig“ abziehe, so bleibt nicht mehr in der Vernunft das „Mensch sein“; sondern es besteht da nur das „sinnbegabt“; das „animal“, nicht mehr das „homo“. Sehe ich aber gemäß der zweiten Art ab vom einzelnen Stoffe, so bleibt ein jedes von beiden, sowohl das, wovon ich absehe, als das was ich betrachte, verständlich; es bleibt ein jedes in der Vernunft. Denn ich mag immerhin vom Erze z. B. die Form des Kreises in meiner Auffassung entfernen, so bleibt doch in meiner Vernunft getrennt voneinander das Verständnis des Erzes und das des Kreises. Nun ist freilich weder Allgemeines noch Besonderes, weder Stoff noch Form der Wirklichkeit nach in Gott; aber nach der menschlichen Art aufzufassen und zu bezeichnen, besteht davon eine Ähnlichkeit in Gott. Demgemäß sagt Damascenus (3. de orthk. fide 6.): In Gott sei die Substanz wie das Gemeinsame, Allgemeine; die Person wie das Besondere. Wenn wir also von jenem Absehen der Vernunft reden, dem gemäß vom Besonderen abgesehen wird, so bleibt in der Vernunft zurück nach Entfernung der persönlichen Eigenheiten die gemeinsame Wesenheit, nicht aber das Für-sich-bestehen des Vaters, was ja auch zum Besonderen gehört. Sprechen wir aber von jener Art, abzusehen, gemäß der vom einzelnen Stoffe abgesehen wird, so bleibt in der Vernunft zurück das Verständnis des Für-sich-bestehens und der drei Personen, wenn jene Eigenheiten hinweggenommen werden, welche keine Person bilden und somit keiner Person als Person zukommen; wie z. B. die Person des Vaters dem Verständnisse nach bestehen bleibt, wenn abgesehen wird davon, daß Er „ungezeugt“ ist oder daß Er „haucht“. Werden aber jene Eigenheiten fortgedacht, welche den Grund für die Personen bilden, also in diesem Sinne „rein persönlich“ sind, so fällt auch das Verständnis der Person als solcher fort. Denn die Eigenheiten der Personen müssen in ihrem Verhältnisse zu den Personen nicht so gedacht werden, als ob sie zu den Personen hinzuträten, wie das Weiße zum Menschen; sie bringen vielmehr mit sich die Personen und schließen selbe in sich ein, insoweit die letzteren für sich bestehen; wie z. B. die Vaterschaft der Vater selbst ist. Denn „Für-sich-bestehen“ oder suppositum (ὑπόστασις) bezeichnet in Gott etwas unterschieden Einzelnes, da die hypostasis die Substanz als einzelne ist. Da also gerade die Relation der bildende Grund ist für die Personen, so bleibt nur übrig, daß, wenn von den Relationen, welche auf die Personen als solche gehen und letztere herstellen, abgesehen wird, keinerlei Für-sich-bestehen oder hypostasis oder suppositum übrig bleibt. 97. Wie aber einige sagen (vgl. Art. 2.), werden die „Für-sich-bestehenden“ in Gott unterschieden nicht durch die Relationen, sondern durch den Ursprung. Demgemäß wäre der Vater ein Für-sich-bestehender oder eine hypostasis dadurch, daß Er von keinem ausgeht, keinerlei Princip hat; und der Sohn dadurch, daß Er von einem anderen durch Zeugung ist. Danach nun würden zu dieser Art und Weise des Ursprungs, also zu dem bereits fertigen Für-sich-bestehenden oder der hypostasis, hinzutreten die Relationen und danach dem vorher einfach Für-sich-bestehenden oder der hypostasis den Charakter und die Würde der Person geben. Demgemäß würden dann auch, wenn solche Relationen fortgedacht wären, das „Für-sich-bestehende“, die Hypostasen bestehen bleiben; nicht aber die Person. Doch dies kann nicht richtig sein; 1. weil die Relationen eben den Grund bilden für den Unterschied dessen, was für sich besteht und weil sie somit die Hypostasen herstellen; — 2. weil jedes Für-sich-bestehen in der vernünftigen Natur Person ist. Damit also ein Für-sich-bestehen übrig bliebe und nicht eine Person, müßte man von seiten der Natur absehen von der Vernünftigkeit und nicht seitens der Person abstrahieren von der Relation. 100.
c) I. Die „Person“ fügt zum einfachen Für-sich-bestehen, der hypostasis, nicht eine Eigenheit hinzu, die an und für sich unterscheidet; sondern sie fügt hinzu eine Eigenheit, die da unterscheidet und herstellt eben das Für-sich-bestehen in dem, was eine Würde einschließt. Das Ganze ist hier aufzufassen anstatt eines einzigen Unterschiedes. Zur Würde aber gehört die unterscheidende Eigenheit, weil sie verstanden wird als für sich bestehend in der vernünftigen Natur. Damit also nicht die Person, sondern ein reines Für-sich-bestehen für das Verständnis übrig bliebe, müßte man absehen von der Vernünftigkeit in der Natur, nicht von der unterscheidenden Eigenheit. Denn sowohl die Person als auch das nur Für-sich-bestehende, das Einzelne, wie der Stein, ist eine einzelne Substanz. Die unterscheidende Relation also macht in Gott sowohl das Für-sich-bestehen als auch bildet sie zugleich damit die Person. II. Durch die Vaterschaft ist der Vater nicht nur Vater, sondern auch Person und „jemand“ und ein Für-sich-bestehender, hypostasis. Daraus folgt nicht, daß der Sohn nicht „jemand“ sei, weil daraus nicht folgt, daß Er keine Person sei. III. Augustin will nicht sagen, daß, wenn man die „Vaterschaft“ vom Vater entferne, noch das Ungezeugtsein, die innascibilitas, als einfaches Für-sich-bestehen für das Verständnis übrig bleibe; da ja „unerzeugt sein“ überhaupt nichts Positives besagt; sondern, wie er selbst sagt, reine Verneinung ist. Vielmehr spricht er im allgemeinen, weil nicht alles Unerzeugte „Vater“ ist. Ist die Vaterschaft also entfernt, so bleibt in Gott kein Für-sich-bestehender, keine hypostasis, übrig, insoweit sie von den anderen Personen unterschieden wird; sondern nur insoweit ein Unterschied zwischen Ihm und den Kreaturen eintritt, wie dies die Juden auffassen. 104.
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