Erster Artikel. In Christo war keine Sünde.
a) Dies ist gegen: I. Ps. 21.: „Mein Gott, mein Gott . . . weit entfernt sind von meinem Heile die Worte meiner Sünden,“ welche Worte aus der Person Christi gesprochen sind, da Er sie am Kreuze sagte. II. Röm. 5.: „In Adam haben alle gesündigt.“ Christus war aber auch gemäß dem Ursprünge in Adam. III. Hebr. 2.: „Worin Christus gelitten hat und versucht worden ist, darin ist Er mächtig, auch anderen zu helfen.“ Wir bedürfen aber der größten Hilfe gegen die Sünde. Also. IV. 2. Kor. 5.: „Ihn (Christum), der die Sünde nicht kannte, hat Er für uns zur Sünde gemacht.“ Das aber besteht in aller Wahrheit und Wirklichkeit, was von Gott hergestellt worden. Also war in Christo wahrhaft Sünde. V. Augustin (de agone christ. c. 11.): „Im Menschen Christus bot sich uns als Beispiel des Lebens dar der Sohn Gottes.“ Der Mensch aber bedarf des Beispiels, auch um recht zu bereuen. Also mußte Christus gesündigt haben, damit Er das Beispiel der Reue geben könne. Auf der anderen Seite sagt Er selber (Joh. 8.): „Wer von euch wird mich einer Sünde zeihen.“
b) Ich antworte; Christus habe unsere Mängel angenommen, damit Er für uns genugthue, die Wahrheit unserer Natur in Sich zeige und ein Beispiel vorstelle. Danach konnte Er keine Sünde haben. Denn die Sünde trägt 1. nichts bei zur Genugthuung, sondern ist ein Hindernis für deren wirksame Kraft, nach Ekkli. 34.: „Die Gaben der gottlosen verschmäht der Höchste.“ Die Sünde beweist 2. nicht die Wahrheit unserer Natur. Denn die Sünde ist vielmehr gegen die Natur, welche der Herr geschaffen; der Teufel hat den Samen der Sünde ausgestreut (Damasc. 2. de orth. fide 30.). Es konnte 3. der Herr durch die Sünde kein Beispiel der Tugend geben, da die Sünde entgegensteht der Tugend. Deshalb sagt Petrus (I. 2, 22.):„Der da Sünde nicht gethan hat; und Trug ist nicht erfunden worden in seinem Munde.“
c) I. Von Christo wird nach Damascenus (3. de orth. fide 25.) einerseits ausgesagt gemäß seiner natürlichen Eigenheit und gemäß der persönlichen Einigung; wie wenn man sagt: Gott ist Mensch geworden, hat für uns gelitten. Andererseits wird über Ihn ausgesagt, soweit Manches über Ihn gesagt wird in unserer Person, was Ihm selber keineswegs zukommt. Deshalb stellt unter den sieben Regeln des Tichonius Augustin (III. de doctr. christ. 31.) als erste die auf „vom Herrn und seinem mystischen Leibe,“ insoweit nämlich „Christus und die Kirche als eine einige Person erachtet wird.“ Namens seiner mystischen Glieder, der Kirche also, sprechend sagt der Herr: „Worte meiner Sünden;“ nicht als ob im Haupte selber Sünden gewesen wären. II. Wir waren in Adam (nach Aug. 10. sup. Gen. ad litt. 19.) gemäß der wirkenden Kraft des Samens und nach dem fleischlichen Stoffe. „Denn da im Samen die sichtbare Fleischlichkeit ist und der unsichtbare maßgebende Grund der Fortpflanzung, so sind wir nach beiden Seiten hin in Adam. Christus aber nahm die Substanz seines Fleisches wohl aus der Jungfrau; den wirkenden Grund der Empfängnis aber nicht von einem männlichen Samen; sondern weit anderswoher, derselbe kam von oben.“ Adam also war nicht der wirkende Grund dafür, daß Christus die menschliche Natur empfing, sondern der heilige Geist; wie auch für Adam der Erdenstaub den Stoff bot für seinen Körper, dessen wirkender formender Grund aber Gott war. Christus also sündigte nicht in Adam, in welchem Er nur dem bestimmbaren Stoffe nach war. III. Durch seine Versuchung und sein Leiden hat Christus für uns genuggethan und so uns geholfen. Die Sünde aber ist ein Hindernis für die Genugthuung. Also mußte Er ganz rein von Sünden sein, sonst hätte die Strafe seiner eigenen Sünde gegolten. IV. Gott machte Christum zur Sünde; nicht daß Christus in Sich selbst Sünde hätte, sondern weil Gott Ihn zum Sühnopfer für die Sünde machte, nach Ose. 4.: „Die Sünden meines Volkes werden sie essen,“ die Priester nämlich, welche nach dem Gesetze die für die Sünden dargebrachten Opfer verzehrten. Und nach Isai. 53. „hat der Herr in Ihn gelegt die Bosheit aller;“ weil Er Ihn dahingegeben, damit Er das Sühnopfer sei für alle. Oder „Er machte Ihn zur Sünde,“ weil Christus die Ähnlichkeit trug mit dem Fleische der Sünde, nach Röm. 8. Und zwar dies gemäß dem leidensfähigen, sterblichen Leibe, den Er angenommen. V. Der büßende giebt nicht darin ein lobenswertes Beispiel, daß er sündigte; sondern daß er freiwillig die Strafe für die Sünde übernimmt. Christus also gab den büßenden das höchste Beispiel. Denn Er übernahm freiwillig die Strafen; nicht für seine Sünden, sondern für die anderer.
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