Dritter Artikel. Das Geschlechtsregister bei Matthäus 1.
a) Gegen dasselbe spricht Folgendes: I. Isai. 53. heißt es: „Seine Abstammung, wer wird sie erzählen?“ Also mußte man dieselbe gar nicht erzählen wollen. II. Nach Matth. 1. heißt der Vater Josephs Jakob; nach Luk. 3. Heli. Kein Mensch aber hat zwei Väter. III. Matthäus zählt von Abraham bis Joseph zweiundvierzig Glieder als Geschlechtsreihen auf. Lukas aber beginnend von Christo und abschließend mit Gott zählt deren siebenundsiebzig auf. Das stimmt also nicht miteinander. IV. 4. Kön. 8. steht, daß Joram zeugte den Ochozias, dem nachfolgte Joas sein Sohn; und diesem folgte nach Amasias, sein Sohn; und nachher regierte dessen Sohn Azarias, der genannt wird Ozias, dem da nachfolgte Joatham sein Sohn. Matthäus aber sagt, „Joram zeugte Ozias;“ läßt also drei Könige aus. V. Alle, die im Geschlechtsregister stehen, hatten Väter und Mütter; und zum größten Teile Brüder. Matthäus aber zählt bloß drei Mütter auf: Thamar, Ruth und die Frau des Urias; als Brüder nennt er nur die des Judas und Jechonias; und Chares und Zaram. Lukas aber hat von alledem gar nichts. Also ist das Geschlechtsregister unzukömmlicher weise abgefaßt. Auf der anderen Seite steht die Autorität der Schrift.
b) Ich antworte, nach 2. Tim. 3. sei „alle Schrift von Gott her eingegeben“. „Was aber von Gott kommt, das ist in sich geordnet,“ nach Röm. 13. Also ist das Geschlechtsregister von den Evangelisten gut beschrieben.
c) I. Isaias spricht (nach Hieronymus zu Matth. 1.) von der göttlichen Abstammung oder Zeugung Christi. Matthäus von der Abstammung Christi dem Fleische nach; und er berichtet nicht die Art und Weise der Empfängnis, was ebenfalls unaussprechlich ist, sondern zählt nur die Namen der Voreltern Christi nach dem Fleische auf. II. Dieses Einwurfes bediente sich der Kaiser Julian der abtrünnige. Verschiedenartig ist die Antwort. Die einen sagen nach Gregor von Nazianz (Aug. 2. Qq. Evang. 5.), es seien nur zwei Namen für ein und dieselbe Person. Dies ist jedoch falsch. Denn Matthäus läßt Jakob, den Vater Josephs, von einem Sohne Davids sich ableiten, nämlich von Salomo; Lukas aber führt den Heli, den Vater Josephs, auf Nathan zurück; — diese beiden aber waren, nämlich Salomo und Nathan, Söhne Davids und somit Brüder nach den Büchern der Könige. Also können nicht Jakob und Heli ein und dieselbe Person als den Vater Josephs vorstellen. Deshalb meinten andere, Matthäus habe das wahre und richtige Geschlechtsregister geschrieben; Lukas aber jenes, welches man dafür nahm, weshalb er beginnt, „den man für einen Sohn Josephs nahm,“ ut putabatur filius Joseph. Denn es waren aus den Juden viele der Ansicht, daß wegen der Sünden, welche die Könige Juda begangen, nicht vermittelst derKönige Christus von David abstammen werde; sondern vermittelst eines anderen Weges, nämlich vermittelst von Privatleuten. Nun habe Lukas diese Abstammungsliste, welche solche Juden dafür hielten, aufgezeichnet; die wahre aber sei die des Matthäus. Wieder andere nahmen an, Matthäus habe die Väter Christi dem Fleische nach aufgezeichnet; Lukas aber die geistigen Väter, nämlich gerechte Männer, Lehrer und Träger der Heiligkeit von Geschlecht zu Geschlecht, auf Grund der Ähnlichkeit in der Sittlichkeit. Darauf aber antwortet das Buch de q. V. et N. T. q. 6.; daß dies nicht so zu verstehen sei, als ob Lukas sagte, Joseph sei der Sohn Heli; sondern daß Heli und Joseph Vorväter Christi waren, die in verschiedener Weise von David abstammten. Es sei zu lesen, Christus werde als Sohn Josephs betrachtet (ut putabatur) und Christus sei ebenso gut als Sohn Helis zu betrachten; nämlich auf die nämliche Weise, wie Christus Sohn Josephs genannt werde, könne er auch genannt werden Sohn Helis und aller jener, die aus dem Geschlechte Davids stammten; wie ja der Apostel sagt (Röm. 9.): „Aus denen,“ nämlich den Juden, „Christus ist nach dem Fleische.“ Augustinus nun löst die Sache in anderer Weise (2 Qq. Evang. 6.): „Es treten drei Verhältnisse entgegen; und einem derselben gemäß hat der betreffende Evangelist berichtet. Denn entweder hat 1. der eine Evangelist als den Vater Josephs jenen bezeichnet, von dem Joseph unmittelbar gezeugt ist, und der andere bezeichnet den Großvater von mütterlicher Seite her oder einen der bedeutenderen verwandten; — oder 2.: der eine nennt den natürlichen Vater Josephs und der andere den Adoptivvater, der nach dem Gesetze ihn an Kindesstatt angenommen; — oder 3.: es war einer ohne Kinder zu hinterlassen gestorben; deren Gattin aber hatte der nächste verwandte geheiratet nach jüdischer Sitte und den Sohn, den er fleischlich zeugte, dem gestorbenen verwandten angerechnet;“ was ja auch, nach Augustin selbst (2. de cons. Evang. 3.), eine Adoption ist. Diese letzte Ursache nun ist die wahrere und wird auch von Hieronymus als solche angenommen (l.
c). Eusebius von Cäsarea berichtet in seiner Kirchengeschichte (I. c. 7.), diese Ansicht sei vom Historiographen Afrikanus überliefert worden. Diese Autoren nämlich sagen so: Nathan und Melchi hatten zu verschiedenen Zeiten von ein und derselben Frau, Namens Estha, Söhne. Nathan, der vermittelst Salomo von David abstammte, hatte diese Estha zuerst zur Frau und starb, indem Er einen Sohn Jakob hinterließ. Nach dessen Tode nahm Melchi, der vermittelst Nathan von David abstammte, da das Gesetz nicht verbot, eine Witwe zu heiraten, die von Nathan hinterlassene Witwe zur Frau und gehörte sonach mit ihr zum nämlichen Stamme, aber nicht zur nämlichen Familie. Er bekam von Estha einen Sohn, den er Heli nannte. Und so waren Heli und Jakob Brüder von der Mutter her, hatten aber nicht denselben Vater. Nun starb Heli ohne Kinder; und Jakob nahm nach dem Gesetze dessen Witwe zur Frau, war also der natürliche Vater Josephs, der Vater dem Fleische nach; dem Gesetze nach jedoch war Joseph der Sohn Helis und ward auf dessen Namen dem Gesetze nach eingeschrieben. Joseph war also dem Gesetze nach der Adoptivsohn Helis; dem Fleische nach der Sohn Jakobs. Deshalb gebraucht Matthäus das Wort „zeugte“, genuit; Lukas aber sagt nicht so, sondern: fuit Heli. Lukas also verzeichnet das Geschlechtsregister, wie die Kinder den Vätern dem Gesetze und somit der entsprechenden Adoption nach gehörten; — und Matthäusbeschreibt die fleischliche Aufeinanderfolge. Der erstere sagt deshalb nie „genuit“. Und wenn auch Damascenus (4. de orth. fide 15.) schreibt, die seligste Jungfrau sei mit Joseph dem Stamme und dem Geschlechte Davids nach verwandt gewesen, gemäß jenem Ursprünge, kraft dessen Heli als Vater Josephs verzeichnet wird, weil er meint, sie leite ihre Abstammung von Melchi her; so darf man doch glauben, sie führe ihren Stammbaum auch auf Salomo gemäß jenen Vorvätern in irgend einer Weise zurück, welche Matthäus aufzählt, welche also die Abstammung der fleischlichen Zeugung nach vorstellen; zumal Ambrosius sagt (sup. Luc. 3.), „Christus leite sich ab vom Samen des Jechonias.“ III. Augustin antwortet (2. de cons. Evang. 4.): „Matthäus wollte in Christo die königliche Würde hervorheben; Lukas die priesterliche. In den von Matthäus angeführten Geschlechtern wird demgemäß bezeichnet, daß Christus die Last unserer Sünden auf sich genommen hat,“ insoweit Er nämlich vermittelst der fleischlichen Abstammung die Ähnlichkeit des Fleisches der Sünde an sich genommen hat; „in den Geschlechtern aber, wie sie Lukas anführt, wird bezeichnet die Tilgung unserer Sünden durch das Opfer Christi. Deshalb zählt Matthäus die Geschlechtsreihen in absteigender Ordnung auf, Lukas in aufsteigender. Deshalb auch steigt herab Matthäus von David selber durch Salomo, mit dessen Mutter David gesündigt. Lukas aber steigt auf durch Nathan zu David; denn durch den Propheten gleichen Namens hat Gott die Sünde Davids getilgt. Und weil Matthäus Christum bezeichnen wollte als jenen, der zu unserer Sterblichkeit herabgestiegen ist; darum erwähnt er die Geschlechtsreihen, von Abraham bis Joseph und bis zur Geburt Christi selbst hinabsteigend, gleich im Beginne seines Evangeliums. Lukas aber thut dies nicht im Beginne seines Evangeliums, sondern nach dem Berichte über die Taufe Jesu und zwar nicht herabsteigend, sondern aufsteigend. Denn er drückt mehr den Priester in Christo aus, der die Sünden sühnt; führt er ja doch das Zeugnis an der nämlichen Stelle an: Siehe den, der da hinwegnimmt die Sünden der Welt. Aufsteigend aber geht er bis zu Abraham und gelangt bis zu Gott, mit dem wir, gereinigt und gesühnt, versöhnt werden. Mit Recht also hat Lukas die Adoptivkindschaft, welche im Gesetze gewährleistet wird, zu Grunde gelegt; denn Adoptivkinder, nicht Kinder Gottes von Natur werden wir durch die Gnade Christi. Matthäus aber legt die fleischliche, natürliche Kindschaft in seinem Geschlechtsregister zu Grunde; denn kraft fleischlicher Empfängnis und Geburt ist der natürliche Sohn Gottes Sohn des Menschen geworden. Lukas aber thut auch hinreichend dar, daß er nicht sagen will, Joseph sei von Heli fleischlich gezeugt, sondern von diesem gesetzlich an Kindesstatt angenommen; da er ja Adam selber als Sohn Gottes bezeichnet, da doch Adam von Gott gemacht und nicht gezeugt worden ist.“ Auch die Vierzigzahl bei Matthäus bezieht sich auf das gegenwärtige, vergängliche Leben wegen der vier Weltgegenden, in welchen wir unter der Herrschaft Christi zeitlich leben. „Vierzig hat ja in sich je viermal die Zehnzahl; und die Zehnzahl selber vollendet sich, wenn man in fortschreitender Zählung bis zu vier von der Einheit ausgeht; denn 1+2=3; 3+3=6; 6+4=10.“ Man kann auch die Zehnzahl auf die Gebote Gottes beziehen und die Vierzahl auf das gegenwärtige Leben oder auf die vier Evangelien, gemäß denen Christus herrscht. Deshalb nennt Matthäus, der die königlich herrschende Person Christi ausdrücken will, vierzig Personen, ausgenommen Christus selbst; vorausgesetzt nämlich daß der Jechonias, der am Ende des zweiten-Abschnittes v. 11. steht, mit dem Jechonias am Anfange des dritten Abschnittes v. 12. ein und derselbe ist, „so daß“, wie Augustin erklärt, „dadurch bezeichnet wird, wie unter Jechonias eine gewisse Ableitung zu fremden Völkern hin sich vollzogen hat, als die Gefangenschaft zu Babylon begann, damit darauf hingewiesen werde, daß Christus von der Beschneidung ausgehen und zu den heidnischen Völkern wandern werde.“ Hieronymus aber stimmt dem nicht zu, sondern nimmt zwei Jechonias an, den Vater und den Sohn; von denen jeder genannt wird, damit die drei Abschnitte, deren jeder vierzehn Stufen zählt, in gleichmäßigem Verhältnisse zu einander stehen. Damit beständen — Christus eingeschlossen — zweiundvierzig Personen im Geschlechtsregister. Diese Zahl kommt ebenfalls der heiligen Kirche zu. Denn 42 besteht aus der Sechszahl, welche die Arbeit des gegenwärtigen Lebens, die Mühsal in der während sechs Tagen geschaffenen Welt, ausdrückt, multipliziert mit der Siebenzahl, welche hinweist auf die Ruhe der Ewigkeit. Die Vierzehnzahl aber selbst, die aus der Addition von 4 zu 10 entsteht, kann sich auf dieselbe Bedeutung beziehen, welche der Vierzigzahl zugeteilt worden ist, welche aus der Multiplikation von 4 und 10 entsteht. Die Zahl bei Lukas nun bezeichnet die Gesamtheit der Sünden. Denn die Zahl 10 als die Zahl der Gerechtigkeit erscheint in den zehn Geboten. Da aber die Sünde die Übertretung des Gesetzes ist, so steht die Elfzahl, als Überschreitung der 10, für die Sünde. Da nun die Siebenzahl die Gesamtheit ausdrückt, denn in der Siebenzahl rollt die ganze Zeit dahin, so bedeutet die Zahl 77, die Lukas hat, die Gesamtheit der Sünden, welche Christus hinwegnimmt. IV. Wie Hieronymus sagt (l. c.), „verband sich König Joram ehelich mit dem Geschlechte der ruchlosen Jezabel; und deshalb verschwindet sein Andenken bis zum dritten Geschlechte, daß es nicht in die Reihe der Geschlechtsordnung der Geburt Christi hineinkommt.“ „Wie groß der Segen war,“ so Chrysostomus (hom. I. in op. imp.), „welcher über Jehu sich ergossen, der Rache genommen hatte an Achab und Jezabel; so groß war der Fluch, der über das Haus Joram erging wegen des ruchlosen Achab und der Jezabel, so daß bis zum vierten Geschlechte die Kinder gestrichen werden aus der Zahl der Könige, wie Exod. 20. geschrieben steht: „Ich werde vergelten die Sünden der Eltern bis zu den Kindern in das dritte und vierte Geschlecht hinein.“ Freilich stehen im Geschlechtsregister auch andere lasterhafte Könige; aber diese ihre Gottlosigkeit war keine so ununterbrochen fortgesetzte. So heißt es nämlich q. 81. in Qq. V. et N. T.: „Salomo ward in der Herrschaft belassen wegen der Verdienste seines Vaters. Roboam wegen der Verdienste seines Sohnes Asa. Dieser drei Könige Gottlosigkeit aber war ununterbrochen fortgesetzt.“ V. „Keine heilige Frau erscheint im Geschlechtsregister, sondern solche, welche von der Schnft getadelt werden,“ sagt Hieronymus (l. c.), „damit der da gekommen war wegen der Sünder, von Sündern abstammend, aller Sünden tilge.“ Thamar nämlich wird getadelt wegen der Unzucht mit dem Schwiegervater: Raab, weil sie eine öffentliche Dirne war; Ruth, als eine fremde; Bersabee, weil sie die Ehe gebrochen. Letztere aber wird nicht mit dem eigenen Namen benannt, sondern mit dem ihres Mannes Urias, sowohl weil ihre Sünde Ehebruch und Totschlag gewesen ist als auch damit die Sünde Davids in das Gedächtnis zurückgerufen werde. Lukas thut solcher Frauen keine Erwähnung, weil er Christus beschreibt als den Sühner der Sünden. Es erwähnt zudem Matthäus die BrüderJudas', damit er zeige, sie gehörten zum Volke Gottes; Ismael aber und Esau erwähnt er nicht zum Zeichen, daß sie vom Volke Gottes getrennt worden seien. Zugleich geschieht dies, damit der Stolz auf adelige Ahnen ausgeschlossen werde. Denn viele Brüder des Judas waren von Mägden geboren; und doch standen alle gleichermaßen als Stammväter, als Patriarchen und Fürsten da. Phares und Zaram werden zusammen genannt, nach Ambrosius (c. 3. sup. Luc.), „weil durch sie das Leben der beiden Teile des Menschengeschlechts bezeichnet wird, von denen der eine gemäß dem Gesetze lebte, ausgedrückt durch Zaram, der andere gemäß dem Glauben, ausgedrückt durch Phares. Die „Brüder des Jechonias“ erwähnt er, weil sie alle zu je verschiedenen Zeiten regierten, was bei anderen Königen nicht statthatte; oder weil bei allen ähnlich war die Bosheit und das Elend.“