Vierter Artikel Es war zukömmlich, daß Christus mit den Wundmalen auferstand.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. 1. Kor. 15. heißt es: „Die toten werden auferstehen als unvergängliche.“ Wundmale aber und dementsprechend Wunden gehören einer gewissen Vergänglichkeit und Mangelhaftigteit an. II. Der Leib Christi erstand auf als unversehrter. Wundmale aber, die ja die Zusammengehörigkeit des Fleisches unterbrechen, sind gegen die Unversehrtheit. III. Damascenus (4. de orth. fide 19.) sagt: „Nach der Auferstehung blieben nach dem Ratschlüsse Gottes im Leibe Jesu die Wundmale, um dieJünger zu vergewissern, es sei der nämliche Leib, der gelitten habe.“ Wie also dieser Ursache genügt war, hätten die Wundmale verschwinden und nicht weiter in der Herrlichkeit des Leibes verbleiben müssen. Auf der anderen Seite steht Joh. 20, 27.: „Lege deinen Finger hier hinein etc.“
b) Ich antworte; es sei 1. wegen der Herrlichkeit des Leibes Christi zukömmlich gewesen, daß Er die Wundmale beibehalten habe; „damit Er in Ewigkeit die Spuren seines Triumphes an Sich trage“ (Beda sup. Luc. c. 93.). Daher sagt Augustin (22. de civ. Dei 20.): „Vielleicht werden wir im Himmelreiche sehen die Wundmale der Märtyrer, die sie zur Ehre Christi erhalten haben; nicht häßlich werden sie sein, sondern voll Würde und wie eine Schönheit der Tugend gleichsam wird am Körper selber erscheinen.“ 2. Er hat damit in den Jüngern den Glauben an seine Auferstehung gefestigt. 3. Er zeigt damit, flehend für uns, dem Vater beständig, welche Art von Tod Er für uns erduldet hat. 4. Er prägt damit den durch seinen Tod erlösten ein, mit welcher Barmherzigkeit Er sie erlöst hat. 5. Er wird an seinen heiligen Wundmalen im Weltgerichte zeigen, wie gerecht Er die Sünder verdamme: „Sehet da,“ so werden diese Wundmale gleichsam sprechen, „den Menschen, den ihr gekreuzigt habt; schauet die Wunden, die ihr mir beigebracht; erkennet die Seite, die ihr durchbohrt habt; ihr habt sie geöffnet, wegen euer ist sie geöffnet worden; und ihr wolltet nicht eintreten.“
c) I. Jene Wundmale vermehren vielmehr den Glanz der Herrlichkeit am Leibe Jesu als Siegeszeichen und strahlen in besonders hohem Grade. II. Dieser Mangel am Zusammenhange des Körpers wird vollauf ersetzt durch höheren Glanz, so daß der Körper nicht minder unversehrt, sondern in höherem Grade vollkommen ist. Thomas aber sah nicht nur die Wundmale, sondern berührte sie; denn „seinem eigenen Glauben genügte es zwar, gesehen zu haben was er sah; für uns aber that er es, daß er berührte denjenigen, den er sah“ (Leo der Große; oder Augustin serm. 56.). III. Auch aus anderen Gründen wollte der Herr, daß die Wundmale an seinem Leibe verblieben; nicht bloß wegen der Jünger: „Ich glaube,“ sagt Augustin (ep. 205. ad Consentium), „daß der Leib des Herrn so im Himmel ist, wie er dahin aufgestiegen ist.“ „Konnte etwas,“ so Gregor der Große (14. moral. 29.), „am Leibe Christi nach der Auferstehung noch verändert werden gegen die Wahrheit, die Paulus predigt, so ging der Herr nach der Auferstehung in den Tod zurück; — wer anders aber wollte dies sagen wie ein Thor, der die Wahrhaftigkeit der Auferstehung leugnet.“
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