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Werke Thomas von Aquin (1225-1274) Summa Theologiae Summe der Theologie
Tertia Pars
Quaestio 59

Erster Artikel. Die Richtergewalt ist im besonderen Sinne Christo zuzuschreiben.

a) Dies scheint nicht. Denn: I. Richten geht den an, der da Herr ist, nach Röm. 14.: „Du, warum
richtest du den Knecht eines anderen.“ Herr sein aber kommt der ganzen
Dreieinigkeit zu. Also ist Richten kein Vorrecht Christi. II. Dan. 7. heißt es: „Der Alte der Tage saß … Das Gericht
saß und es wurden die Bücher geöffnet.“ Der „Alte der Tage“ aber ist der
Vater; denn „ein Vater ist die Ewigkeit“ schreibt Hilarius (2. de Trin.).
Also ist mehr dem Vater die Richtgewalt zuzuschreiben wie Christo. III. Dem nämlichen gehört es zu, daß er richte; dem es zugehört,
daß er überführe. „Der heilige Geist aber wird überführen die Welt
wegen der Gerechtigkeit, der Sünde und des Gerichts.“ Also kommt Richten
vorzugsweise dem heiligen Geiste zu. Auf der anderen Seite schreibt der Apostel (Ac. 10.) von Christo: „Er ist es, der aufgestellt ist von Gott als Richter der lebendigen und der toten.“

b) Ich antworte; zum Richten gehöre Dreierlei: 1. Macht, untergebene
zu zwingen, nach Ekkli. 7.: „Suche nicht danach, Richter zu werden, wenn
du nicht mit Macht die Bosheiten zerreißen kannst;“ — 2. Eifer und Liebe
für die Gerechtigkeit, daß jemand nicht aus Neid oder Haß urteile, nachProv. 3.: „Den der Herr liebt, züchtigt Er; und Er gefällt Sich wie ein Vater in seinem Sohne;“— 3. Weisheit, um das Urteil zu finden, nach Ekkli. 10.: „Ein weiser Richter wird sein Volk richten.“ Die ersten beiden Erfordernisse sind nun recht eigentlich Vorerfordernisse. Die wahre Form des Urteils aber bestimmt sich gemäß der Weisheit, wonach das Urteil gefunden wird; denn das Gesetz der Weisheit oder Wahrheit ist die Richtschnur für das Urteil. Und da nun der Sohn die gezeugte Weisheit ist und die vom Vater ausgehende Wahrheit, die Ihn in vollkommenster Weise darstellt, so wird die Macht zu richten im eigentlichsten Sinne dem Sohne zugeteilt. Deshalb sagt Augustin (de vera Relig. 31.): „Das ist jene unveränderliche Wahrheit, welche mit Recht als das Gesetz aller Künste bezeichnet wird und als die Kunst des allmächtigen Künstlers. Wie aber wir und alle Seelen, die vernunftbegabt sind, gemäß der Wahrheit über das Niedrige recht urteilen, so urteilt über uns, wann wir ihr recht anhängen, die Wahrheit selber; über diese aber urteilt nicht der Vater, denn sie ist nicht minder als der Vater. Was also der Vater urteilt, das urteilt Er von dieser Wahrheit aus … Der Vater richtet somit über niemanden, sondern alles Gericht hat Er dem Sohne übergeben.“

c) I. Dem Sohne wird die Richtgewalt zugeeignet, appropriiert. An sich ist sie gemeinsam der ganzen Dreieinigkeit. II. Dem Vater wird die Ewigkeit zugeeignet auf Grund des Princips,
was im Ausdrucke „Ewigkeit“ enthalten ist (Aug. 6. de Trin. 10.). Der
Sohn aber (l. c.) ist die Kunst des Vaters. Die Autorität also, um zu
richten, wird dem Vater als dem Princip des Sohnes zugeteilt; aber das
Urteil, also der eigentlich maßgebende Grund des Richtens wird dem Sohne,
als der Kunst und der Weisheit des Vaters, appropriiert. Wie nämlich der
Vater Alles macht durch den Sohn, insoweit dieser die Kunst des Vaters ist,
so richtet Er Alles durch den Sohn, insoweit dieser die Weisheit und Wahrheit des Vaters ist. Dies steht bei Daniel ausgedrückt. Da „sitzt“ zuerst
„der Alte der Tage“; und dann „kommt der Menschensohn bis zum Alten
der Tage und dieser giebt Ihm, dem Sohne, Macht und Ehre und Herrschaft,“ wodurch bezeichnet wird, daß die Autorität, um zu richten, beim
Vater ist, von welchem der Sohn empfing die Macht, um zu richten. III. „Dies hat,“ so Augustin (tract. 95. in Joan.) „Christus so über
den heiligen Geist gesagt, als ob Er hätte sagen wollen: Der heilige Geist
wird in eueren Herzen die Liebe ausgießen; und so werdet ihr, von aller
Furcht befreit, die Befugnis haben, zu überführen.“ Dem heiligen Geiste
also wird nicht das maßgebende Urteil zugeeignet, sondern die Wirkung
des Richtens, wie sich solche in den Menschen offenbart.

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