Zweiter Artikel. Die Taufe ward eingesetzt vor dem Leiden Christi.
a) Sie scheint nachher eingesetzt worden zu sein. Denn: I. Die Ursache geht der Wirkung vorher. Das Leiden Christi aber giebt den Sakramenten ihre Kraft. Deshalb sagt ja Paulus (Rom. 6.): „Wer auch immer getauft ist, der ist im Tode Jesu Christi getauft.“ Also ward die Taufe eingesetzt nach dem Leiden Christi. II. Die Sakramente des Neuen Bundes haben wirksame Kraft auf Grund des Gebotes Christi. Nach dem Leiden aber hat Christus das Gebot gegeben zu taufen, nach Matth. ult.: „Gehet . . . und taufet alle Völker im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.“ III. Die Taufe ist notwendig zum Heile. Also waren die Menschen nach deren Einsetzung verpflichtet, sich taufen zu lassen. Nun bestand aber vor dem Leiden des Herrn noch zu Recht die Beschneidung, an deren Stelle die Taufe trat. Also ward letztere erst eingesetzt nach dem Leiden. Auf der anderen Seite sagt Augustin (serm. 1. dom. infr. oct. Epiph.): „Da Christus in das Wasser getaucht ward, seitdem wascht das Wasser von allen Sünden rein.“ Dies aber fand statt vor dem Leiden. Also ward die Taufe vor dem Leiden eingesetzt.
b) Ich antworte, die Sakramente bringen es auf Grund ihrer Einsetzung mit sich, daß sie Gnade verleihen. Dann also wird ein Sakrament als eingesetzt angesehen, wann es die Kraft empfängt, die ihm eigene Wirkung hervorzubringen. Diese Kraft aber empfing die Taufe damals, als Christus getauft wurde. Damals also ward die Taufe wahrhaft als Sakrament eingesetzt. Die Notwendigkeit jedoch, die Taufe zu empfangen, ward den Menschen erst aufgelegt nach dem Leiden und der Auferstehung; sowohl weil im Leiden Christi alle figürlichen Sakramente, denen die Taufe mit den anderen Sakramenten des Neuen Bundes folgt, erfüllt und demnach beendet worden sind, als auch weil durch die Taufe der Mensch gleichförmig wird dem Leiden und der Auferstehung Christi, insoweit er der Sünde stirbt und ein neues Leben der Gerechtigkeit beginnt. Also mußte Christus zuerst leiden und auferstehen, ehe den Menschen die Notwendigkeit erstand, seinem Leiden und seiner Auferstehung gleichförmig zu werden.
c) I. Die Taufe hatte vor dem Leiden Christi ihre wirksame Kraft ebenfalls von dem Leiden Christi; insoweit sie dasselbe figürlich ausdrückte, freilich anders wie die Sakramente des Alten Bundes. Denn diese letzteren waren einzig und allein Figuren des Leidens; die Taufe aber hatte von Christo her die Kraft zu rechtfertigen, durch welche Kraft ja auch das Leiden Christi heilsam war. II. Die Menschen durften nicht durch Christum in verschiedenartigen Zeichen und Figuren festgehalten werden, der doch gekommen war, durch seine Wahrheit alles Figürliche zu erfüllen. Und deshalb gab der Herr vor seinem Tode kein Gebot für den Empfang der Taufe; sondern Er wollte, daß die Menschen sich allmählich durch die thatsächliche Spendung der Taufe an dieses Sakrament gewöhnten; und zwar galt dies vorzugsweise dem Volke der Juden, bei dem ja Alles Figur war auf Christum hin 4. cont. Faustum 2.). Nach dem Leiden und Sterben aber legte Er die Verpflichtung der Taufe allen auf; sowohl Juden als auch Heiden, indem Er sprach: „Gehet und lehret alle Völker.“ III. Die Sakramente verpflichten nur insoweit deren Empfang vorgeschrieben ist; was vor dem Leiden nicht der Fall war. Denn was der Herr zu Nikodemus sagt (Joh. 3.): „Wenn jemand nicht wiedergeboren worden ist aus dem Wasser und dem heiligen Geiste, so kann er nicht eintreten in das Reich Gottes,“ geht mehr auf die Zukunft wie auf die Gegenwart.
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