Vierter Artikel. Durch die Taufe erhalten die Menschen Gnade und Tugenden.
a) Dem steht Folgendes entgegen: I. Die Sakramente bewirken das, was sie bezeichnen. Das Abwaschen mit Wasser aber bezeichnet nur das Reinwerden von Sünden; nicht aber die Anfüllung mit Gnade. II. Was einer bereits hat, braucht er nicht durch die Taufe zu erhalten. Manche aber haben schon hinzutretend zur Taufe die Gnade und die Tugenden, nach Act. 10.: „Ein Mann war in Cäsarea, Namens Kornelius, fromm und voll Gottesfurcht.“ Dieser Mann aber ward getauft von Petrus, trotzdem er bereits die Gnade besaß. III. Die Tugend ist ein Zustand, den man „schwer verliert und kraft dessen man mit Leichtigkeit und mit Freuden das Gute thut.“ Nach der Taufe aber bleibt in den Menschen die Hinneigung zum Bösen, der dieSchwierigkeit folgt im Wirken des Guten und durch die oft die Tugend hinweggenommen wird. Also kraft der Taufe hat der Mensch nicht immer Gnade und Tugenden. Auf der anderen Seite heißt es Tit. 3.: „Er hat uns heil gemacht durch das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung des heiligen Geistes, den Er in uns ergoß in überfließender Weise,“ d. h. „behufs Nachlasses der Sünden und Ausstattung mit Tugenden“ (Glosse).
b) Ich antworte, durch die Taufe werden die Menschen eingegliedert in Christo. Vom Haupte aber, Christus, fließt in alle Glieder die Fülle desselben in Gnade und Tugend, nach Joh. 1, 16.: „Von seiner Fülle haben wir alle empfangen.“ Also erlangt der Mensch durch die Taufe Gnade und Tugenden.
c) I. Durch das Abwaschen bezeichnet das Wasser das Reinwerden von Sünden, durch das Erquicken den Nachlaß von Strafen, durch seine kristallhelle Klarheit den Glanz von Gnade und Tugenden. II. Vor der Taufe erlangt jemand Nachlaß von Sünden durch den Wunsch der Taufe; durch den wirklichen Empfang wird vollkommener der Nachlaß mit Rücksicht auf die Befreiung von aller Strafe. So hatte Kornelius vor der Taufe durch den Glauben an Christum und die Sehnsucht nach der Taufe (implicite oder explicite) Gnade und Tugenden erhalten; er empfing aber nach der Taufe eine größere Fülle von Gnade und Tugenden. Deshalb sagt die Glosse zu Ps. 22. (super aquas): „Gott hat uns erzogen durch die Vermehrung der Gnade und der guten Wirksamkeit in der Taufe.“ III. Die besagte Schwierigkeit findet sich in den getauften; nicht als ob die Zustände der Tugenden mangelten, sondern wegen der Begierlichkeit, die in der Taufe nicht fortgenommen wird. Wie aber durch die Taufe die Begierlichkeit vermindert wird, daß sie nicht herrsche; so wird auch die Schwierigkeit für das Gute und die Hinneigung zum Bösen minder, daß der Mensch davor nicht zurückweiche.
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