Dritter Artikel. Die Form des Sakramentes der Buße.
a) Dieselbe ist nicht: „Ich spreche dich los“ (Ego te absolvo). Denn: I. Diese Form ist nicht von Christo eingesetzt, da wir nirgends im Evangelium von ihr lesen. Jede sakramentale Form muß aber von Christo eingesetzt sein, soll sie Wirksamkeit haben. Zudem bedient sich die Kirche bei ihren Absolutionen in der Prim, in der Komplett, am Gründonnerstag etc. nicht der anzeigenden Form, sondern sie spricht in der Weise des Gebetes: „Es erbarme sich euer der allmächtige Gott“ oder: „Den Nachlaß und die Lossprechung von Sünden verleihe euch der allmächtige Gott.“ II. Leo der Große sagt (ep. 108.): „Den Nachlaß der Sünde verleiht Gott nur auf das Gebet der Priester hin.“ Er spricht aber vom Nachlasse, der den büßenden gewährt wird. Also ist dies: „Ich spreche dich los“ nicht die Form der Buße; denn es ist dies kein Gebet. III. Lossprechen von der Sünde ist das Nämliche wie sie nachlassen. Sünden nachlassen aber ist Gottes Sache allein (Aug. tract. 4. in Joan.). Der Priester nun sagt nicht: „Ich lasse dir die Sünden nach“. Also darf er auch nicht sagen: „Ich spreche dich los“. IV. Wie die Gewalt, von Sünden loszusprechen, gab der Herr auchden Aposteln die Gewalt, Krankheiten zu heilen, die Teufel auszutreiben etc. (Matth. 10.; Luk. 9.). Nach Act. 8. aber sagte Petrus nicht zum gichtbrüchigen: „Ich heile dich“, sondern: „Der Herr heile dich“. Also muß auch hier es heißen: „Der Herr spreche dich los“. V. Manche erklären diese Form, als ob sie sagen wollte: „Ich zeige dich oder stelle dich hin als einen von Sünden losgesprochenen.“ Aber auch das ist falsch; denn der Priester erkennt nicht das Herz des anderen, wenn nicht Gott es ihm offenbar macht; nach Matth. 16, 19. Auf der anderen Seite sprach der Herr zu Petrus (Matth. 16, 19.): „Was du lösen wirst auf Erden;“ gerade wie Er zu den Aposteln sagte: „Gehet hin . . . und taufet sie.“ Nun wird die Taufe gespendet unter der Form: „Ich taufe dich“. Also muß es hier heißen: „Ich löse oder ich spreche dich los“.
b) Ich antworte, in jedem Dinge komme die Vollendung von der Form. Dieses Sakrament aber wird vollendet durch die Thätigkeit des Priesters, nach Art. 1 ad II. Also muß das, was vom büßenden herrührt, seien es Worte oder Handlungen, wie Materie oder bestimmbarer Stoff sein gegenüber dem, was der Priester thut, als der bestimmenden Form. Da nun im Neuen Testamente die Sakramente wirken, was sie bezeichnen, so muß die Form ausdrücken im gebührenden Verhältnisse zur bestimmbaren Materie und mit Rücksicht auf diese das, was im Sakramente geschieht. Deshalb heißt die Form der Taufe: „Ich taufe dich“; die der Firmung: „Ich zeichne dich“; die des Sakramentes der Eucharistie, das da nicht im Gebrauche, sondern in der Weihe, in der Konsekration der Materie besteht: „Das ist mein Leib“. Das Sakrament der Buße besteht nun nicht in der Konsekration einer Materie und nicht im Gebrauche einer bereits geheiligten Materie; sondern in der Entfernung einer Materie, nämlich der Sünde. Diese Entfernung also wird ausgedrückt vom Priester mit den Worten: „Ich löse dich los“. Denn die Sünden sind Fesseln, nach Prov. 5.: „Die Missethaten nehmen gefangen den gottlosen und mit den Stricken seiner Sünden wird jeder gezogen.“ Also ist die genannte Form die für die Buße zukömmlichste.
c) I. Diese Form kommt von den Worten Christi selber: „Was du lösen wirst auf Erden“. Die Absolutionen aber in der Prim etc. sind keine sakramentalen, sondern es sind Gebete um Tilgung der läßlichen Sünden. In der sakramentalen Lossprechung muß also zu diesen Absolutionen in Gebetsform hinzutreten jene, welche die Lossprechung positiv ausspricht und nicht bloß darum bittet. Solche Absolutionen in Gebetsform werden im Sakramente der Buße vorausgeschickt der eigentlichen sakramentalen, damit die Wirkung des Sakramentes nicht gehindert werde von seiten des büßenden, dessen Thätigkeiten sich hier wie die bestimmbare Materie verhalten, was bei der Taufe oder Firmung nicht der Fall ist. II. Das Wort Leos gilt von den Absolutionen in Gebetsform, welche der sakramentalen vorhergeschickt werden; dadurch wird die sakramentale nicht entfernt. III. Gott allein löst von Sünden und läßt sie nach kraft eigener Autorität. Die Priester thun Beides als Werkzeuge im Dienste der wirkenden Kraft Gottes. Denn die letztere wirkt in jedem Sakramente an erster Stelle. Der Herr hat auch Beides ausgedrückt. Denn zu Petrus sagt Er: „Was du lösen wirst;“ und zu den Jüngern (Joh. 20.): „Denen ihr die Sünden nachlasset, denen sind sie nachgelassen.“ Es ist liebergesetzt worden: „Ich spreche oder löse dich los“, weil diese Ausdrucksweise nach dem Beispiele des Herrn ausdrücklicher die Macht der Schlüsselgewalt zeigt, kraft deren die Priester lösen. Weil aber der Priester nur in der Weise eines Werkzeuges löst, wird etwas auf die Hauptursache Bezügliches in der Form hinzugefügt; nämlich: „Ich spreche dich los im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes“ (3. de coel. hier. et 7. de eccl. hier.). Weil jedoch ein solcher Zusatz nicht aus den Worten Christi abgeleitet wird, wie bei der Taufe, ist er an sich betrachtet der Willkür des Priesters unterworfen. IV. Den Aposteln ward nicht die Gewalt gegeben, daß sie selbst die kranken heilten, sondern daß auf ihr Gebet hin die kranken geheilt würden. In den Sakramenten aber erhielten sie die Gewalt, als Werkzeug der göttlichen Kraft thätig zu sein. Und sonach können sie mit mehr Recht in den Sakramenten ihren eigenen Akt ausdrücken wie in den Heilungen. In letzteren aber bedienten sie sich auch manchmal der anzeigenden Form, wie Act. 3. Petrus sprach: „Was ich habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu des Nazareners stehe auf und wandle.“ V. Die Sakramente des Neuen Bundes wirken das, was sie bezeichnen. Somit ist es wohl richtig, zu sagen z. B.: „Ich zeige dich als einen getauften“; aber dies ist so zu verstehen, daß der taufende zeigt, was er selber gewirkt hat und nicht bloß ein Zeichen hinstellt von dem, was ein anderer gewirkt hat. Also zu sagen: „Ich zeige dich als einen losgesprochenen“; das ist wohl nicht falsch als Erklärung der Absolutionsform; aber es muß dann dahin verstanden werden, daß der Priester zeigt, was seine Lossprechung gewirkt hat und nicht daß diese letztere selber nur ein Zeichen sei. Dazu, um dies zu sagen, bedarf der Priester keiner besonderen Offenbarung; denn wie die anderen Sakramente eine zuverlässige Wirkung haben, mag auch diese von seiten des empfangenden gehindert werden können, so steht es ebenfalls mit diesem Sakramente. Deshalb sagt Augustin (2. de adult. conj. 9.): „Es ist nicht schimpflich noch schwer nach begangenen Ehebruchssünden die Versöhnung der Ehegatten, wo kraft der Schlüssel des Himmelreichs ohne jeden Zweifel der Nachlaß der Sünden verliehen wird.“
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