Vierter Artikel. Jeder Engel ist seine Gattung.
a) Dagegen wird geltend gemacht: I. Seinsarten, welche miteinander übereinkommen in dem, was jede am meisten Erhabenes in sich hat, werden durch ein- und denselben Gattungsunterschied gebildet. Denn der Gattungsunterschied ist erhabener und steht höher im Sein wie die bloße „Art“. Somit haben solche Seinsarten ein und dieselbe Gattung. Alle Engel aber kommen überein in dem, was sie am meisten Erhabenes in sich haben; nämlich in der Vernünftigkeit. Also ist ihnen allen ein und dieselbe Gattung gemeinsam. II. Ein bloßes Mehr oder Minder macht keinen Unterschied in der Gattung. Die Engel scheinen aber nur darin verschieden voneinander zu sein, daß der eine mehr und tiefer versteht wie der andere. Also. III. Was die vernünftige Seele im Stoffe ist, das ist der Engel im Bereiche des rein Vernünftigen. Alle Seelen aber sind in einer einzigen Gattung und unterscheiden sich nur gemäß den einzelnen Menschen. IV. Je vollkommener etwas ist, desto mehr muß es vervielfältigt werden. Das fände aber nicht statt, wenn in einer Gattung bloß ein Einzelding wäre. Auf der anderen Seite stehen alle Einzeldinge ein und derselben Gattung auf derselben Seinsstufe und sind sich insoweit gleich. Bei den Engeln aber ist nach Dionysius (de angel. hier. cap. 10.) in ein und derselben Ordnung bereits eine Verschiedenheit unter denselben. Es giebt eine untere, mittlere und höchste Stufe. Also haben die Engel nicht die Gattung gemeinsam.
b) Einige hatten die Ansicht, alle geistigen Substanzen seien derselben Gattung; auch die menschlichen Seelen. Andere aber meinten, alle Engel seien derselben Gattung; die Seelen aber nicht der gleichen Gattung wie die Engel. Wieder andere nahmen an, die Engel, welche in derselben Rangordnung sich befinden oder in derselben Hierarchie, hätten eine gemeinsame Gattung. Dies alles aber ist ganz unmöglich. Denn jene Dinge, welche ein und derselben Gattung zugehören und nur der Zahl nach voneinander unterschieden sind, haben die bestimmende Wesensform unter sich gemeinsam und werden in einzelne geschieden nur durch den Stoff. Da also die Engel keinen Stoff in sich haben, so können gar nicht zwei Engel ein und derselben Gattung zugehören; ebensowenig wie das „Weiße“ oder die „Menschnatur“ doppelt sein könnte, wenn jedes von beiden für sich bestände und nicht in einem stofflichen Subjekte wäre. Hätten aber die Engel auch einen Stoff in sich, so wäre es auch so noch nicht möglich, daß zwei ein- und dieselbe Gattung hätten. Denn in diesem Falle müßte das Princip der Verschiedenheit des einen vom anderen der Stoff sein; nicht aber gemäß der Teilung eines gleichartigen Umfanges in mehrere verschiedene einzelne Teile, da ja die Engel unkörperlich sind, sondern gemäß der Verschiedenheit der dem Stoffe innewohnenden Vermögen; wie z. B. die Pflanze vom Tiere unterschieden ist. Dies würde aber nicht nur eine Verschiedenheit der Gattung nach bedeuten, sondern eine Verschiedenheit der „Art“ nach.
c) I. Was eine Gattung von der anderen scheidet, also die Wesensdifferenz im Dinge, steht allerdings höher an Seinswert wie die „Art“; jedoch nur insoweit die „Art“ als etwas Bestimmbares, an sich Unbestimmtes betrachtet wird und der Wesensunterschied als etwas Bestimmtes und Bestimmendes; das Bestimmbare als solches aber immer im Sein tiefer steht wie das Bestimmte. Der Wesensunterschied ist jedoch nicht in dem Sinne höher im Sein wie die allgemeinere „Art“; als ob es sich hier um zwei Naturen handelte, von denen die eine vollendeter wäre wie die andere. Sonst müßten alle vernunftlosen sinnbegabten Wesen zu einer einzigen Gattung gehören oder es müßte in ihnen noch eine mehr vollendete Form es geben wie die sinnbegabte Seele. Sie sind also in der Gattung voneinander unterschieden gemäß den verschiedenen Graden der sinnbegabten Natur oder des sinnlichen Lebens; und ähnlich unterscheiden sich die Engel voneinander in der Gattung gemäß den verschiedenen Graden der rein vernünftigen Natur. II. Wenn das Mehr oder Minder von dem mehr oder weniger starken Durchdringen ein und derselben Form herkommt, wie z. B. das Mehr oder Minder in der Wärme, so macht dies keinen Unterschied in der Gattung. Wird es aber verursacht von Formen verschiedener Seinsstufen; so ist es der Grund für die Verschiedenheit in der Gattung, wie wenn wir sagen, das Feuer ist vollkommener wie die Luft. Das letztere hat bei den Engeln statt. III. Das einer Gattung eigentümliche Gut ist hervorragender wie das, welches einem Einzelwesen entspricht. Es ist also weit vollkommener, daß die Gattungen in den Engeln vervielfältigt werden als wenn nur der Einzelwesen innerhalb einer Gattung viele wären. IV. Die Vervielfältigung in der bloßen Zahl wird, da sie ins Endlose hin sich vollziehen kann — es können immer mehr Einzeldinge sein — dicht beabsichtigt von dem Wirkenden; sondern nur die Vervielfältigung in ner Gattung. (Kap. 47, Art. 2.) Die Vollkommenheit der Natur des Engels also erfordert die Vielheit in der Gattung und nicht die Vielheit in den Einzelwesen ein und derselben Gattung.
