Dritter Artikel. Gott ist das Gute dem Wesen nach.
a) Es scheint dies nicht Gott allein eigen zu sein, daß Er das „Gute dem Wesen nach“ ist. Denn: I. Das Eine, das Sein, das Gute ist mit Rücksicht auf das thatsächliche Sein, welches zu Grunde liegt, ein und dasselbe. Jegliches Ding aber ist ein einiges kraft seines Wesens. Also ist auch jedes Ding gut kraft seines Wesens. II. „Alles strebt nach dem, was gut ist.“ Nun ist es aber gerade das Sein eines Dinges, was verlangt und begehrt wird; und für jedes Ding ist sein eigenes Sein Gut. Jegliches Ding aber hat Sein kraft seines Wesens. Also ist es gut kraft seines Wesens. Und so fordert nicht das Wesen Gottes allein, daß Gott gut ist, sondern das jeden Dinges. III.. Jegliches Ding ist gut auf Grund seiner Güte. Besteht also ein Ding, das nicht gut ist auf Grund seines Wesens, so ist seine Güte nicht sein Wesen. Diese seine Güte nun aber, die nicht sein Wesen ist, da sie doch etwas sein muß, muß jedenfalls wieder gut sein. Wodurch? Durch eine andere Güte, die wieder nicht ihr Wesen ist? Das würde endlos weitergehen; und nichts wird dann gut sein, da es kein erstes giebt. Oder soll man zu einer Güte gelangen, die nicht gut ist auf Grund einer anderen Güte, sondern durch sich selbst, also durch ihr Wesen? Nun dann könnte man auch beim ersten Dinge gleich stehen bleiben und dann ist wieder jedes Ding auf Grund seines Wesens gut. Auf der anderen Seite sagt Boëtius (de hebdom. an omne quod est bonum est): „Alle anderen Dinge sind gut kraft Mitteilung“, also nicht kraft ihres Wesens.
b) Ich antworte, daß Gott allein gut ist kraft seines Wesens. Denn jegliches Ding wird gut genannt, inwieweit es vollendet ist. Die Vollenendung eines Dinges ist aber eine dreifache. Zuvörderst ist es vollendet gemäß dem, daß es alles hat, um wirklich zu existieren. Dann ist es vollendet gemäß dem, daß zu seinem Sein manches hinzugefügt wird, damit es auch wie es seinem Wesen zukommt thätig sein kann. Endlich ist es vollendet gemäß dem, daß es irgendwo seine Ruhe findet als in dem Zwecke, für den es existiert. So z. B. ist die erstgenannte Vollendung beim Feuer die, daß dasselbe einmal seine substantiale Form, sein Wesen hat und demgemäß existiert. Die zweite Vollendung beim Feuer ist die, daß es warm ist, trocken, leicht und danach thätig sein kann. Die dritte ist die, gemäß welcher es in dem seiner Natur angemessenen Orte, nach dem es vermittelst seiner Thätigkeit strebt, ruht. Diese dreifache Vollendung aber kommt keinem geschaffenen Wesen zu auf Grund seines Wesens; sondern nur Gott. Denn Er ist 1. dem Wesen nach Sein, existiert also aus Sich selbst von jeher; 2. treten zu seinem Sein keine vom Wesen verschiedene Zuthaten: Eigenschaften, Zustände, hinzu; 3. Er hat zu nichts außerhalb Seiner selbst Beziehung wie zu seinem Zwecke, sondern Er selber ist für Sich und für alles der letzte Endzweck. Er allein also hat kraft seines Wesens die allseitigste Vollendung; Er allein also ist gut kraft seines Wesens.
c) I. Das Eine bringt nicht mit sich die Auffassung des „Vollendeten“, sondern nur des „Ungeteilten“; und dieses letztere kommt jeglichem Dinge zu kraft dessen Wesensform, welche im Dinge selbst die verschiedenen Materialprincipien zu einer ihr entsprechenden Seinseinheit verbindet. Die Wesenheiten der einfachen stofflichen Elemente nun haben Einheit sowohl im thatsächlichen Bestande als im Vermögen; sie können nur dies bestimmte Etwas und nichts Anderes. Die Wesenheiten der zusammengesetzten Dinge aber haben Einheit bloß im thatsächlichen Bestande, im Thätigsein, nicht im Vermögen; sie können Verschiedenes. Deshalb muß also jedes Ding eines sein kraft des Wesens; nicht aber gut, wodurch die Vollendung bezeichnet wird und keineswegs bloß das einfache Sein, die Existenz. II. Ein jedes Ding ist zwar gut, insoweit es thatsächliches Sein hat, also existiert. Aber das Wesen im geschaffenen Dinge ist nicht das thatsächliche Sein selber, sondern dieses thatsächliche Sein der Existenz ist eine Zuthat. Also ist auch kein geschaffenes Ding gut kraft seines Wesens. . III. Die Güte eines geschaffenen Dinges entspringt nicht dem Wesen desselben, sondern ist etwas Hinzugefügtes: entweder das thatsächliche Sein selber oder eine hinzugekommene Vollendung oder die Beziehung zum Zwecke. Diese Güte aber wird „Sein“ genannt; sie ist etwas gleichwie das Sein selber. Sie ist jedoch in dem Sinne etwas, weil durch ihre Vermittlung etwas ist, nicht weil sie durch anderseitige Vermittlung etwas wäre. Deshalb wird die Güte gut genannt, nicht weil sie selbst etwas wäre, sondern weil kraft ihrer ein Ding gut ist; sie ist in anderer Weise gar nicht. Und somit fällt der Einwurf.
