Zweiter Artikel. Mit Recht wird die Hervorbringung der pflanzen am dritten Tage erzählt.
a) Dem scheint nicht so. Denn: I. Die Pflanzen haben Leben wie die Tiere. Die Tiere aber werden unter jenen Werken eingereiht, die zum Schmucke der Erde dienen und nicht unter den Werken der Scheidung des einen vom anderen. Also müßte dies auch mit den Pflanzen der Fall sein. II. Die Pflanzen gehören zum Fluche der Erde: „Verflucht sei die Erde in deinem Werke,“ heißt es Gen. 3, 17.: „Disteln und Dornen wird sie dir bringen.“ Was aber zum Fluche gehört, darf nicht unter den Werken erwähnt werden, die bei der Bildung der Erde entstanden sind. III. Die Pflanzen haften an der Erde; und ebenso die Steine und Metalle. Deren aber thut Moses keine Erwähnung. Also durften auch die Pflanzen nicht erwähnt werden. Auf der anderen Seite steht die Autorität der Schrift.
b) Ich antworte, daß am dritten Tage die Formlosigkeit der Erde verschwindet. Nun war aber die Erde 1. formlos, weil sie „unsichtbar“ war; und 2. war sie formlos, weil sie „leer“ war. Die erste Formlosigkeit verschwindet durch die „Sammlung der Wasser“ und „das Erscheinen des Trockenen“; die zweite durch die Bekleidung mit Pflanzen. Augustinus weicht in seiner Ansicht über die Pflanzen von den anderen ab. Während nämlich die letzteren meinen, die Pflanzen seien nun thatsächlich entstanden, wie das Wort der Schrift oberflächlich angesehen bestimmt; sagt Augustin, die Erde habe am dritten Tage nur die Kraft erhalten, Pflanzen hervorzubringen. Und dafür spricht nach ihm Gen. 2, 4.: „Das sind die verschiedenen Arten und Weisen, wie Erde und Himmel entstanden ist; als da dies alles geschaffen wurde am Tage, wo Gott Himmel und Erde machte und jegliches Reis auf dem Felde, bevor es aus der Erde hervsrsproß und alle Pflanzen auf Erden, bevor sie Wurzel faßten.“ Bevor sie also thatsächlich sproßten und wuchsen; sind die Pflanzen ihrer Ursache nach in der Erde gemacht worden. Und dies entspricht auch mehr der Vernunft. Denn in jenen Tagen gründete Gott die Natur gemäß ihrem Ursprunge oder in ihrer Ursache; und von diesem Werke ruhte er nachher aus. Später aber wirkte Er in der Fortpflanzung und Leitung der Dinge, die Er geschaffen hatte, und thut das bis jetzt. Daß nun die Pflanzen aus der Erde sprossen, das ist das Werk der Fortpflanzung und Ausbreitung. Somit hat Gott am dritten Tage die Pflanzen nur in ihrer Ursache hervorgebracht; nicht ihrem thatsächlichen Sein nach. Jedoch kann nach der ersten Meinung erwidert werden, das erste Sprossen und Blühen gehöre mit zur ersten Gründung der Dinge; nicht aber daß thatsächlich aus einer Pflanze eine andere der Gattung nach ähnliche hervorgeht. Und das scheint die Schrift anzudeuten, wenn sie sagt: „Bevor sie hervorging auf der Erde oder bevor sie sproßte,“ nämlich bevor ähnliche Pflanzen aus jeder Pflanze thatsächlich entstanden. Deshalb fügt auch die Schrift hinzu: „Die Erde soll grünendes Kraut hervorbringen, das da Samen in sich bereitet;“ es seien nämlich die Pflanzen als ihrem Gattungssein nach thatsächlich vollkommen hervorgebracht worden, damit sie sich durch den Samen weiterverbreiteten. Und da kommt es nicht darauf an, wo die Pflanzen ihre Fortpftanzungslraft haben, ob in der Wurzel oder im Stamme oder in der Frucht.
c) I. Das Leben in den Pflanzen ist verborgen; sie haben keine Empfindung und keine Bewegung. Da sie also unbeweglich an der Erde haften, werden sie bei der Vollendung der Erde als hervorgebracht angeführt. II. Auch vor jenem Fluche bestanden bereits Disteln und Dornen, sei es in der verursachenden Kraft der Erde sei es in thatsächlichem Sein. Sie waren aber nicht Werkzeuge der Strafe; daß nämlich die Erde, welche der Mensch seiner Nahrung halber bebaute und pflegte, dem Menschen Unfruchtbares und Schädliches hervorgesproßt hätte. Deshalb steht beim Fluche da: „Dir wird sie sprossen . . .“ III. Moses legte bloß jene Dinge vor, die offenbar vor aller Blicken liegen. Die Mineralien aber haben ein in der Erde verborgenes Entstehen; und zudem scheinen sie eine gewisse Art Erde zu sein, somit also keinen offen vor Augen liegenden Unterschied von der Erde zu haben.
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