Fünfundsiebzigstes Kapitel. Der Mensch. Überleitung.
„Erhebe deine Augen und schaue von dem Orte, wo du bist, nach Norden und nach Süden, nach Westen und nach Osten. Alle Gegend, welche dein Blick erreicht, will ich dir geben und deinem Samen nach dir;“ so sprach der Herr zu Abraham. So sprach er bereits vor der Sünde zum ersten Menschen. „Und er erhob die Augen und schaute alles Land ringsum am Jordan; in seiner ganzen Ausdehnung wurde es bewässert und schön wie der Garten Gottes lag es vor.“ An diese Worte denkt der Geist bei der Beschreibung der Werke Gottes, wie sie Thomas giebt. Mit liebevollem Blicke zeigt Thomas überall den Finger Gottes. Überall weist er nach, wohin das Walten der göttlichen Macht reicht. Überallhin verfolgt er die Quelle, aus welcher in die sichtbare Schöpfung, in jedes Geschöpf Freude, Schönheit, Unendlichkeit strömt. „Wie der Garten Gottes liegt“ die Erde, so aufgefaßt wie sie Thomas hier beschreibt, vor dem geistigen Auge der Vernunft. Von allen Seiten her duftet da in den verschiedensten Wohlgerüchen der wundervolle Balsam der göttlichen Güte. „Finster und leer“ ist der Urstoff, wenn er für sich betrachtet wird. Keine Form hat er, keine Schönheit; nicht die mindeste Gewalt oder den geringsten Einfluß. Aber sieh' ihn an, wie er auf Gott, seinen Ursprung, zeigt; sieh' ihn an gewissermaßen mit dem Auge Gottes. Wie stark erscheint er dann unter der Macht Gottes; wie unüberwindlich fest! Welch reiche Quelle alles Werdens, vom Staubkörnlein bis zur Sonne, vom losen Blatte, das der Wind vor sich hintreibt, bis zur erhabenen Menschnatur ist nicht in ihm erschlossen! Eine ganze Welt baut sich auf ihm auf; und er trägt sie, ohne zu ermüden. Geistige Substanzen richten ihre Thätigkeit auf ihn; er zittert nicht; er hält sie aus, ohne zu vergehen. Himmelskörper leiten erstarrende Kälte, glühende Hitze auf den Stoff; sein Vermögen aber, etwas zu werden, erstarrt nicht und zerfließt nicht. Denn ganz, in all seiner Ausdehnung, kommt dieses Vermögen des Urstoffes unmittelbar vom Allmächtigen: „Wunderbar ist das Vermögen des Urstoffes“ sagen wir mit Thomas; aber nur wunderbar unter dem Einflüsse Gottes. Von keinem Engel, von keinem Menschen wird es unmittelbar erkannt oder erschöpfend erkannt. Nur Gott erkennt es für sich allein und erschöpft es in seinem Erkennen; denn Er allein kennt seine eigene wirkende Kraft; Er erkennt und begreift Sich selbst. Gott aber will seine Güte im Einwirken auch Kreaturen mitteilen. Er hat dem formlosen Urstoffe gegenüber geschaffen die Geistnatur, welche wie dieser ganz von Gott, in all der Ausdehnung ihres Seins, ohne jede Zwischenursache kommt. Wie wird der formlose Urstoff, der also für sich nichts Substantielles ist, sondern nur etwas werden kann, —- mit der formlosen Geistnatur, die in sich kein ausreichendes Princip für die einzelne bestimmende Thätigkeit findet und doch nur thätig sein kann, wenn auf Einzelnes ihr Denken und Wollen gerichtet ist; — wie wird beides Formlose sich zu gemeinsamem Thätigsein verbinden: Das eine um zu empfangen, das andere um zu geben? Gott vollendet die Geistnatur, indem Er sie erhebt zum Anschauen des „Wortes“, das alle Kreaturen und alle Handlungen im einzelnen von vornherein in sich enthält sowohl der wirkenden Kraft nach als auch gemäß den ureigensten Vorbildern. Gott vollendet den Urstoff, indem Er im Lichte jene erste Kraft hinstellt, welche scheiden und verbinden soll. Aber hier schon wirkt Gott so, daß auch die Natur mitwirkt. Gott verleiht der entsprechenden Geist-Natur es, daß sie je nach dem Maße und der Richtschnur ihres Seins sich selber zu Gott hinwendet und da selig wird. Er verleiht es dem Stoffe, Träger und auch Gegenstand des Lichtes zu sein und so zu dessen thatsächlichem Erscheinen mitzuwirken. Denn in der Weise schafft Er das Licht, daß es nicht leuchtet, außer wann und inwieweit es Körperliches mit dessen Beschaffenheit und Ausdehnung trifft. Denn was ist das Licht anderes als die Harmonie der Teile des Weltalls! Insoweit ein Ding in seiner Thätigkeit an der Harmonie des Ganzen, am Gesamtbesten kraft seiner Natur Anteil hat; insoweit ist es Träger des Lichtes, Quelle der bestimmten Gestalt des Lichtes. Fällt es ab von der Ordnung, die ihm seine Natur vorschreibt; so wird dies freilich den Herrn unsern Gott nicht hindern, auch den Mangel selber für eine höhere Ordnung zu benutzen; — aber Finsternis entsteht, insoweit das betreffende Ding von der Regel seiner Natur abweicht in der natürlichen Ordnung. Was ist Licht anderes als der Stempel Gottes eingeprägt der ganzen sichtbaren Natur, daß sie thätig sei in der Weise, wie die Allmacht es in Sich geformt; und daß sie, die Natur, in sich selber so das Maß der Thätigkeit trage. Ein Tag liegt hier vor; ein bestimmtes Maß. Denn die Vollendung der Engel, die Erhellung des Stoffes vollzieht sich nach dem in die Kreatur niedergelegten Maße. Und dieses Maß wird fortan die Richtschnur für alle Entwicklung des Stoffes. Nach den im Worte geschauten Idealen leitet, wie seine eigene Natur dies gestattet, der Engel; nach dem Maße, daß der Stoff Licht trägt, nimmt er von oben den Einfluß auf und wird selber thätig nach unten hin. Die Thätigkeit Gottes ist da keine schlechthin unendliche mehr, wie im Erschaffen der Kreatur. Sie wird vermittelt durch die Geistnatur und durch das Licht; und erhält demgemäß ihr Maß und ihre Grenzen. Sie wird unmittelbar erkannt vom Geschöpfe. Der Engel trägt in seine Natur eingeprägt die Idee des Stoffes unter der Einwirkung des göttlichen Lichtes und leitet danach vermittelst des stofflichen Lichtes das einzelne Stoffliche. Es ist der erste Tag und zugleich ein Tag; das allgemeine Maß für alle Tage. So lange nur ein Körperchen noch sichtbar ist und wäre es auch nur mit Hilfe Krookesscher Lichtmühlchen, so lange ist es noch. Ist es durchaus unsichtbar, so ist es dem thatsächlichen Sein nach nicht mehr. Nun beginnt das Ineinanderwirken von Geist und Stoff, die stufenweise Entwicklung des Sichtbaren; immer aber so, daß je mehr Gottes Wirken unmittelbar eintritt, desto mehr Schönheit, Freiheit, Friede im Geschöpfe ruht. In Gott sind die substantialen Wesensformen der Dinge als maßgebende rein geistige Seinsgründe. Nach diesen scheiden nun die Engel vermittelst des Lichtes den Stoff in seine verschiedenen Substanzen. Gott wirkt hier ein in dreifacher Weise: 1. vermittelst seiner maßgebenden Ideen und seiner allwirkenden Kraft; 2. vermittelst der Engel, deren Kraft Er in erster Linie auf das Einzelne lenkt und anwendet; 3. vermittelst des Lichtes, das Er als Urheber der Gesamtharmonie im Sein erhält. Soweit also die stofflichen Substanzen den Charakter der Zusammengehörigkeit zum Gesamtbesten tragen; soweit sie demgemäß Sein haben; — insoweit werden sie von der allwirkenden Kraft Gottes erreicht. Insofern die eine Substanz nicht die andere ist, die Vollendung der anderen von sich ausschließt oder gar den Gegensatz, der zur Auflösung führt, in sich selber besitzt; insofern tragen sie die Spur der Einwirkung seitens der reinen, aber immerhin beschränkten Geister. Daß diese stofflichen Dinge sichtbar sind und so den sinnlichen Augen selbst ihre Vergänglichkeit und ihren Gegensatz zeigen, dies rührt von der ersteinwirkenden körperlichen Kraft her, vom Lichte. Immer mehr vervielfältigen sich jetzt nach diesen ersten Ursachen die unter Gottes Allmacht geordneten. Sind am zweiten Tage die stofflichen Wesenheiten als Ursachen im Dinge selber zum Licht und zur Geistnatur hinzugetreten und demgemäß die entsprechende Kenntnis in der Idee der Engel; so tritt am dritten Tage das Leben hinzu als ein unmittelbarer Ausfluß vom göttlichen Wirken, auf Grund dessen dann der Engel vom Himmel her, das Licht vom Firmament her, die Wesensform im Stoffe selber einwirken. Am vierten Tage finden wir die Formierung des Lichtes, wodurch die Sonne durch ihr Licht andere Wirkungen erzielt wie der Mond; und der Saturn andere wie der Jupiter. Auf Grund dieser Wirkung der göttlichen Allmacht erhält der Engel wieder eine neue, die vierte Art Idee, nach welcher er das Stoffliche zu leiten hat; und der Stoff erhält in sich selbst mehr Selbständigkeit und Schönheit. Im Bereiche des Stofflichen selber liegen ja bereits in bestimmt sichtbarer Weise die nächstwirkenden Ursachen des Einzelnen vor. Am fünften und sechsten Tage wird der Wirkungskreis des Stofflichen noch mehr erweitert; indem die göttliche Allmacht ein höheres Lebensprincip, das von Ort zu Ort bewegen und sinnliche Wahrnehmung verleihen kann, in das Innere der stofflichen Dinge niederlegt und demgemäß auch der Ideenkreis der Engelvernunft, soweit es die Leitung des Stofflichen anbetrifft, vervollständigt wird. Liegt in der ganzen Darstellung des Engels der Schule auch nur das geringste Moment, welches die neuere Naturwissenschaft als ein Hindernis betrachten müßte, um die Lehre des heiligen Thomas anzuerkennm? Wir meinen natürlich damit nur die positiven exakten Ergebnisse der modernen Wissenschaft; nicht ihre träumerischen Principien, die in Widerspruch und in Rätseln enden. Wir haben gesehen, mit welch peinlicher Sorgfalt Thomas allen verschiedenen Erklärungen gerecht zu werden sucht und gegen keine von einem Vorurteil etwas wissen will. Zumal mit der Theorie des heiligen Augustin, der alle Kräfte der Natur wohl, jedoch nur als Kräfte, nicht als thatsächliches Sein zugleich geschaffen sein und dann die thatsächliche Entwicklung in unbestimmten Zeiträumen bis zu der jetzt bestehenden ge-schehen läßt, können alle positiven Ergebnisse der modernen Wissenschaft in Übereinstimmung gebracht werden. Folgende Punkte schließt allerdings die Darstellung des heiligen Thomas aus, die sonst gern von der neueren Naturwissenschaft betont werden; jedoch durchaus nicht positive, experimentell gezeigte Thatsachen sind. I. Die Himmelskörper sind nicht nach und nach in ihrem Sein entstanden; etwa durch Kondensierung des Nebels etc., wie die irdischen Dinge. Sie sind so wie sie da bestehen auf einmal ins Dasein getreten und sind allen Veränderungen innerhalb ihrer Substanz unzugänglich. Die diesbezüglichen Erfahrungen der Neueren beziehen sich nur auf den Umkreis von Luft oder Nebel; dieser ist, wie Thomas in der Physik sagt, veränderlich und wechselt, nicht aber der Himmelskörper selbst. Unsere schärfsten Instrumente bringen jedem Auge nicht die Sterne selber nahe, sondern nur die Atmosphäre, in welcher die Sterne sich abspiegeln. Der Raum zwischen dieser und den Stemen ist den Sinnen nicht zugänglich. Wechselten die Sterne in ihrer inneren Zusammensetzung, in ihrem Sein, so müßte auch ihr Ausfluß, das Licht, fortwährend in seiner Wirksamkeit wechseln; und sonach wäre eine Beständigkeit hier auf Erden, wie sie erfahrungsmäßig mitten im Wechsel der Pflanzen und Tiere und in ähnlichen stattfindet — es würden alle festen Naturgesetze zur Unmöglichkeit gemacht, da ja die ganze irdische Entwicklung vom Lichte abhängt. II. Damit ist eng verbunden, daß die Stoff-Elemente hier auf Erden nicht dasselbe Sein haben, wie oben in den Sternen. Es herrscht da nicht die gleiche Gattung der Art und Weise nach zu sein. Denn in den Himmelskörpern sind diese Stoff-Elemente, wo auch immer sie sich befinden, dauernd, wechselfrei, ihrer Natur nach zu keinem Vergehen geneigt, nur zum Wirken, nicht zum Empfangen von unter her geeignet; — hier aber sind sie in beständigem Wechsel von Entstehen und Vergehen; und dieser Wechsel ist bedingt durch das, was sie von oben her empfangen, wie sie nämlich miteinander zusammengesetzt werden. III. In den Himmelskörpern ist zwischen den zusammensetzenden Elementen kein Gegensatz; sondern jeglicher Stoff ist da einfach, wenn er auch die Kraft besitzen mag, verschiedene miteinander verwandte Elemente hier auf Erden gemäß den verschiedenen Verhältnissen des Stoffes hervorzubringen. Deshalb findet die Spektralanalyse in keinem Himmelskörper alle einzelnen irdischen Elemente vor; sondern sie findet deren mehrere zusammen in den uns näher stehenden wie in denen, die uns ferner stehen. Denn in den ersteren ist bereits die einwirkende Kraft des Lichtes der in größerer Ferne befindlichen als eines Gesamtresultates wahrzunehmen. Je weiter entfernt, desto einfacher, aber auch desto gewaltiger wird der Stoff des Himmelskörpers. Alles Licht zusammen nur aber kann als das Ergebnis aller Kraft der Himmelskörper das irdisch Körperliche hervorbringen und das ganze Licht gehört zur Hervorbringung des geringsten irdischen Körpers. IV. Die Art und Weise des Stofflichen Seins in den Himmelskörpern steht etwa im nämlichen Verhältnisse zur Seinsweise des irdisch Stofflichen, wie das Bild der Phantasie im Künstler zu der entstehenden Kunstform im Marmor. Dieses Bild ist ganz abhängig vom rein geistigen Worte, vom vernünftigen Ideal; gleichwie die Substanz der Himmelskörper abhängig ist von der sie leitenden geistigen Substanz und schließlich von der göttlichen Idee. Mit Rücksicht auf den Stoff aber ist das Phantasiebild im Künstler, sowie die Substanz des Stoffes im Himmelskörper rein bestimmend. V. Das Licht hat an sich keinerlei Dauer in der Bewegung, mit der es sich verbreitet; sein Ausstrahlen ist augenblicklich. Was wir als Dauer bezeichnen, das ist nicht der Bewegung des eigentlichen Lichtes zukommend; sondern der Wirkung des Lichtes, vermöge deren es das zwischen den Sternen und uns Dazwischenliegende bewegt, daß dieses uns vom Lichte Kunde gebe. Thomas nennt dieses Dazwischenliegende das „Nebel-Firmament“, welches von der verdichteten Luft gebildet wird. Erst durch dieses, durch die Atmosphäre, wird das Licht zu uns getragen. Sodann hängt die scheinbare Dauer in der Bewegung des Lichtes von den Körpern ab, die sich bewegen und die das Licht trifft. Wir werden am Ende der ganzen Abteilung Gelegenheit sinden, darauf zurückzukommen. Diese gesamte sichtbare Schöpfung nun, in der die sechs Arten von Ursachen unter der Allmacht Gottes und getragen von derselben wirken, findet ihre Ruhe in der Zweckbestimmung des Menschen. Da wird all ihr Wirken wieder geeinigt von der Liebe Gottes, die da hier, was sie außen vermittelst mehrerer Reihen von Ursächlichkeiten gewirkt hat, innen im menschlichen Willen wieder unmittelbar selbständig in sich aufnimmt. Sie bestimmt selber inmitten des menschlichen Willens zu allem jenem Einzelnen unmittelbar, wozu die Natur außen durch Vermittlung der verschiedensten, eine jede auf sich beschränkten Urfachen gelangt. Sie selber neigt zu ihren Geschöpfen den Willen, damit diese letzteren im freien, von allem Beschränkten losgelösten Willen ihre eigene Unabhängigkeit und ihren Schöpfer finden: das Urvermögen die Urkraft; das sichtbare Licht die unsichtbare Leuchte; das Firmament das da scheidet, jenes das verbindet; die Erde den Himmel; der Sternenglanz das Unvergängliche; das wechselnde Leben den Lebensquell; die Seele ihren Gott; das Herz sein Heim. „Was ist so, wenn der Mensch in der Ruhe des siebenten Tages die Welt sich anschaut, was ist die Welt anderes,“ ruft Ambrosius im Hexaëmeron aus, „als ein Spiegel, der die Schönheit des Schöpfers wiederstrahlt; als ein Buch, dessen Inhalt die Finger Gottes geschrieben haben, in welchem jede Kreatur einen mehr oder minder schönen oder großen Buchstaben vorstellt! Was erzählen die Engelkräfte, die Himmel, das Firmament, die Pflanzen, Sonne, Mond und Sterne, die Fische im Wasser, die Vögel in der Luft, die Tiere des Landes anders wie die Herrlichkeit Gottes. Im Lichte hat Gott alles gemacht, der da zuerst das Licht machte.“ Wandle, o Mensch, fortwährend im Lichte, damit dich nicht Finsternisse umringen. Strahlend leuchtet die Sonne da oben und wer in ihr Licht seine Augen tauchen wollte, würde geblendet sein. So wandle in der Lehre des göttlichen Wortes, in der Leuchte der Gnade, in der Leuchte des in dir wirkenden Gottes, wandle im Spiegel seiner Wirkungen! Aber wolle nicht die innere Natur dieser Helle durchdringen; frage nicht, warum dies so geschieht im Einzelnen und jenes so; warum dir Trübsal beschert ist und anderen Freude. Die Sonne ist das Auge der Welt, die Freude des Tages, die Schönheit des Himmels, das Wohl der Kreatur, der Vorrang in allem Sichtbaren. Sie ist der Quell des Entstehens, der Beistand in der Fruchtbarkeit, die Nahrung der Früchte, die Richtschnur für die Wetter. Ist sie fern, dann weint die Natur, in Kälte erstarrt sie, mit Nacht wird sie bedeckt. Ist sie wieder da, so lacht die Erde, mild wird die Luft, die Felder grünen, alles wächst und breitet sich aus. So sei die Sonne der Gerechtigkeit, so sei Gott in dir, o Mensch, die Quelle alles Guten, der Beistand in allen Mühen, die Freude mitten in den Bitterkeiten, die Wärme der Seele, das Licht in der Finsternis, die Vollendung und das Wohl des Ganzen und zugleich jeder einzelnen Kreatur; zumal aber und in besonderem Sinne die Vollendung und die Schönheit deiner Seele! Das wird uns jetzt Thomas darlegen. Nachdem er alle Principien des geschöpflichen Seins behandelt: Die wirkenden und die empfangenden, die bestimmenden und die ihrer Natur nach bestimmbaren; bleibt noch übrig das letzte Thätigkeitsprincip, welches gewissermaßen alle anderen in sich vereinigt; von allen sozusagen der natürliche Träger ist: der Mensch. Wie beschaffen sind die Natur und die Vermögen des Menschen? Diese Frage wird in den nächsten Kapiteln beantwortet. Hören wir Thomas. Nun bleibt noch übrig über die Natur des Menschen zu handeln und zwar zuerst über die menschliche Natur und dann über die Art, wie der Mensch hervorgebracht worden ist. Der Theologe aber muß vor allem in der menschlichen Natur die Seele berücksichtigen und den Körper nur insoweit als derselbe zur Seele Beziehung hat. Und da nach Dionysius drei Momente in geistigen Substanzen gefunden werden, nämlich das Wesen, die Kraft oder die Vermögen, und die Thätigkeit, so erwägen wir zuerst, was zum Wesen der Seele gehört, dann was ihre Vermögen oder Fähigleiten betrifft und zuletzt die Art und Weise ihrer Thätigkeit.
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