• Start
  • Werke
  • Einführung Anleitung Mitarbeit Sponsoren / Mitarbeiter Copyrights Kontakt Impressum
Bibliothek der Kirchenväter
Suche
DE EN FR
Werke Thomas von Aquin (1225-1274) Summa Theologiae Summe der Theologie
Prima Pars
Quaestio 79

Achter Artikel. Die Kraft, von einem auf das andere zu schließen (die ratio), ist kein von der Vernunft (dem intellectus) verschiedenes Vermögen.

a) Dem tritt entgegen: I. Augustin in de spiritu et anima c. 11.: „Wenn wir vom Niedrigeren zum Höheren aufsteigen wollen, begegnet uns zuerst der Sinn, dann die Einbildungskraft, dann die Kraft zu schließen, dann die Vernunft.“ Wie also die letztere von der Einbildung im Bereiche des Vermögens verschieden ist, so ist sie es auch von der ratio oder von der Kraft, von einem auf das andere zu schließen. II. Boëtius sagt (5. de consol. prosa 4.); „Die Vernunft steht zur Kraft des Schließens im selben Verhältnisse wie die Ewigkeit zur Zeit. “Nicht aber ein und derselben Kraft gehört es zu, in der Ewigkeit zu sein oder in der Zeit. III. In der Vernunft stimmt der Mensch mit den Engeln überein; im Sinne mit den Tieren. Ihm eigen ist eben, daß er von einem auf das andere schließt. So wie also die dazu erforderliche Kraft nicht dasselbe ist wie der Sinn; so ist sie auch nicht dieselbe wie die Vernunft, sonst wäre der Mensch Engel. Auf der anderen Seite sagt Augustin (3. sup. Gen. ad litt. c. 20.): „Jenes, was den Menschen vom Tiere unterscheidet, ist die Vernunft oder die Kraft zu schließen oder der Geist wie man das sonst noch nennen will.“

b) Ich antworte, die Kraft von einem zum anderen zu schließen oder (wenn wir es so nennen wollen) die Verstandeskraft (ratio) könne gar nicht ein anderes Vermögen sein wie die einfach erkennende und auffassende Vernunft. Denn vernünftig verstehen ist nichts Anderes wie die erkennbare Wahrheit auffassen. Vernünftig schließen ist: von einem Aufgefaßten zum anderen vorgehen, damit die erkennbare Wahrheit der Erkenntniskraft gegenwärtig werde. Und deshalb haben die Engel, die gemäß der Art und Weise ihrer Natur vollkommen das Verständnis der für sie erkennbaren Wahrheit besitzen, nicht notwendig, erst von einem auf das andere zu schließen, damit ihnen die schließliche Wahrheit gegenwärtig werde. Sie erfassen ohne das in einfacher Weise (7. de div. nom. nach Dionysius) ihren Erkenntnisgegenstand. Die Menschen aber kommen zur Erfassung und Vergegenwärtigung jener Wahrheit, die von Natur ihr Erkenntnisgegenstand ist, erst dadurch, daß sie aus dem einen das andere erkennen; sie heißen deshalb rationale, verständig. Es ist somit klar, daß ein solches Vorgehen von einem zum anderen, ein solches Schließen, sich verhält zum vernünftigen Verständnisse wie Bewegtwerden zum Ruhen, wie Suchen zum Besitzen, wie Unvollkommenes zum Vollkommenen. Und weil die Bewegung immer von etwas Unverrückbarem ausgeht und in der Ruhe mündet, so geht auch ein solches Schließen von einem auf das andere aus von einigen allgemeinen ersten Principien, die kraft der Natur von allen gleichmäßig aufgefaßt werden und unveränderlich sind; — und dieses selbe Schließen geht wieder auf dem Wege des Urteils zurück zu diesen ersten Principien, an denen es die gefundenen Wahrheiten prüft, ob sie mit ihnen verträglich sind. Ruhen aber und in Bewegung sein gehört immer ein und demselben Vermögen an; wie auch in den körperlich-natürlichen Dingen ein und dieselbe Natur die Richtung für die Bewegung giebt und den Zielpunkt derselben, die Ruhe, verleiht. Mit weit größerem Rechte also gehört das Schließen und das einfache Verständnis ein und demselben Vermögen an: der Vernunft nämlich.

c) I. Jenes Buch hat, wie schon einmal bemerkt, wenig Autorität; es ist nicht von Augustin; zählt übrigens bloß die Reihenfolge in den entsprechenden Thätigkeiten auf. II. Die Ewigkeit steht in Beziehung zur Zeit, wie das Unbewegliche zum Beweglichen; und in ähnlicher Beziehung steht die Vernunft zur Verstandeskraft. III. Die Tiere sind unter dem Menschen; denn sie können gar nicht dazu kommen, die Wahrheit zu erkennen. Der Mensch gelangt zur Kenntnis der Wahrheit, welche auch die Engel kennen; jedoch in unvollkommener Weise. Deshalb ist die Erkenntniskraft in der allgemeinen „Art“ keine andere, wie die des Menschen; aber sie verhält sich zu letzterer wie das Vollendete zum Unvollendeten.

pattern
  Drucken   Fehler melden
  • Text anzeigen
  • Bibliographische Angabe
  • Scans dieser Version
Editionen dieses Werks
Summa theologiae vergleichen
Übersetzungen dieses Werks
Summe der Theologie

Inhaltsangabe

Theologische Fakultät, Patristik und Geschichte der alten Kirche
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Impressum
Datenschutzerklärung