Zweiter Artikel. Auch weibliche Wesen wären im Urzustande gezeugt worden.
a) Dem scheint nicht so. Denn: I. Das Weib ist außerhalb der Absicht der Natur. In jenem Zustande aber wäre nichts dagewesen außerhalb der Absicht der Natur. II. Jeder Zeugende zeugt, was ihm ähnlich ist, wenn nicht etwa seine Kraft unzureichend erscheint oder der Stoff nicht das gehörige Verhältnis hat; wie z. B. ein kleines Feuer aus dem letzten Grunde feuchtes grünes Holznicht verbrennen kann. Im Erzeugen aber ist die wirtsam thätige Kraft im Manne. Von einem Mangel kann zudem weder auf seiten dieser Kraft noch auf seiten des betreffenden Stoffes, welcher die Form aufnimmt, im Urzustande die Rede sein. Also mußten immer dem Zeugenden ähnliche, d. h. männliche Menschen gezeugt werden. III. Die Zeugung war damals nur wegen der Vervielfältigung der Menschen. Da nun aber Adam und Eva immer gelebt hätten, so genügte dieses eine Paar. Weiber also waren nicht notwendig. Auf der anderen Seite mußte die menschliche Natur in derselben Weise sich entwickeln, wie sie eingerichtet worden war. Gott aber hatte Mann und Weib geschaffen. Also mußten auch Weiber sein in der Entwicklung der menschlichen Natur.
b) Ich antworte; die Verschiedenheit des Geschlechts gehöre zur Vollendung der menschlichen Natur. Nichts aber, was zur Vollendung der menschlichen Natur gehört, hätte in jenem Zustande gemangelt.
c) I. Das Weib ist außerhalb der Absicht der besonderen einzelnen Natur im Manne, dem Zeugenden, der an und für sich immer zuerst einen Mann erzeugen will. Das Weib ist aber nicht außerhalb der Absicht der Natur im allgemeinen, welche die Fortpflanzung des Menschengeschlechtes will. (Vgl. Kap. 19, Art. 1 ad 2.) II. Die Erzeugung des Weibes rührt nicht bloß von der Schwäche der zeugenden Kraft her und nicht bloß von dem mangelhaften Verhältnisse des betreffenden Stoffes; sondern manchmal von zufälligen äußeren Einflüssen. So sagt Aristoteles (2. de anima), der Nordwind befördere die Zeugung von Knaben, der Südwind als mehr feucht die von Mädchen. Ebenso kommt dies manchmal von der Auffassung, welche die Seele beherrscht, der gemäß leicht ein Anderswerden im rein Körperlichen folgt. Und dies Letztere konnte zumal im Urzustande entscheidend sein, wo der Körper in höherem Grade der Seele unterworfen war; daß nämlich nach dem Willen des Zeugenden der Unterschied im Geschlechte eingetreten wäre. III. Das Kind wäre damals erzeugt worden gemäß dem vollen Sinnesleben, dem es zugehört, nicht nur mit dem Vermögen sich zu nähren, sondern auch zu erzeugen. Also alle hätten gezeugt, nicht nur die ersten Menschen; und daraus scheint zu folgen, daß eben so viele Männer dagewesen wären wie Weiber.
