Fünfter Artikel. Die Namen der Engelchöre.
a) Es scheint, daß diese Namen nicht passen. Denn: I. Alle himmlischen Geister werden Engel, Kräfte, Gewalten genannt. Namen aber, welche allen zukommen, werden unpassenderweise einzelnen Chören gegeben. II. „Herr“ sein ist Gott allein eigen. Ihm allein kommt also die Herrschaft zu; wie auch der Psalmist (99, 3.) sagt: „Wisset, daß Gott selber der Herr ist.“ Also unpassenderweise wird ein Chor „Herrschaften“ genannt. III. Zudem will der Ausdruck „Herrschaft“ die Macht des Regierens besagen. Dasselbe aber besagen die Namen: „Fürstentümer“ und „Gewalten“. Also unpassenderweise werden mit diesen drei Namen drei verschiedene Chöre bezeichnet. IV. „Erzengel“ heißt ebensoviel als „Erster“ als „Fürst“ der Engel. Also dürfen nur die Fürstentümer „Erzengel“ genannt werden. V. „Seraphim“ heißt „Entzündende“; „Cherubim“ deutet auf den Glanz des Wissens hin. Wissen und Liebe aber sind Gaben, die allen Engeln gemeinsam sind. Also dürfen sie nicht besonderen Chören beigelegt werden. VI. „Thron“ heißt „Sitz“. Deshalb aber sagt man, Gott habe seinen Sitz in der vernünftigen Kreatur, weil Er sie kennt und liebt. Also ist der Chor der „Throne“ nicht verschieden von dem der Seraphim und Cherubim. Auf der anderen Seite steht die Autorität der Schrift. Denn der Name „Seraphim“ findet sich bei Isaias 6.; „Cherubim“ nennt Ezechiel 1.; die „Throne“ kommen vor in Koloss. 1.; „Herrschaften“, „Kräfte“, „Gewalten“ und „Fürstentümer“ erwähnt Ephes. 1.; „Erzengel“ nennt die kanonische Epistel des Judas; „Engel“ kommen oft in der Schrift vor.
b) Ich antworte, man müsse bei den Namen, welche den Engelchören beigelegt werden, berücksichtigen, daß die Eigennamen der verschiedenen Chöre deren Eigenheiten oder Eigentümlichkeiten bezeichnen. Damit man aber sehe, welches die Eigentümlichkeit eines jeden Chores gemäß seiner Benennung sei, muß man erwägen, daß in den Dingen, die zu einander in geregelter Beziehung stehen, in dreifacher Weise etwas sich vorfinden kann; nämlich 1. als Eigentümlichkeit, 2. als Überfluß, 3. als Teilnahme an einer Vollkommenheit in einem anderen Dinge. Wir meinen so: Als Eigentümlichkeit ist etwas in einem Dinge, was der Natur des Dinges durchaus entspricht und in streng gemessenem Verhältnisse zu dieser Natur steht. Als Überfluß ist etwas vorhanden, wenn die Vollkommenheit, welche einem Wesen zugeschrieben wird, mit der Natur dieses Wesens nicht sich deckt und somit dieselbe nicht genügend ausdrückt; jedoch diesem selben Wesen in einem gewissen Überflusse gebührt, wie dies der Fall ist z. B. bei allen Namen, welche Gott zugeschrieben werden. Diese Namen erreichen nicht angemessen die Fülle der göttlichen Natur und drücken diese deshalb nicht entsprechend aus; gebühren aber eben deshalb nur so Gott, daß mit ihnen ein gewisser Überfluß im Sein verbunden wird. Endlich ist etwas kraft einer Teilnahme in einem Dinge vorhanden, wenn die Vollkommenheit, die ihm zugeschrieben wird, sich nicht in ihrer wahren Bedeutung in ihm findet, sondern in mangelhafter Weise, wie z. B. heilige Männer in dieser Weise, kraft der Teilnahme, die ihnen Gott an seinen Vollkommenheiten gewährt, „Götter“ genannt werden. Soll ein Wesen sonach mit einem Namen bezeichnet werden, welcher der diesem Wesen durchaus entsprechenden Eigentümlichkeit entspricht, so darf es nicht benannt werden von dem aus, was im Überflusse in ihm vorhanden ist und auch nicht nach dem, was nur in mangelhafter Weise ihm zukommt; sondern gemäß jener Vollkommenheit, welche seiner inneren Natur wesentlich eigen ist und dieselbe genau, nicht zu viel und nicht zu wenig, ausdrückt. So wird jemand, der den Menschen so recht mit seinem eigentlichen Namen benennen will, ihn ein „sinnbegabtes vernünftiges Wesen“ nennen; nicht aber eine „vernünftige Substanz“. Denn einfach vernünftiges Verstehen kommt im eigentlichsten Sinne den Engeln als Eigenheit zu; den Menschen aber nur kraft der Teilnahme an der Vernunftkraft, die in ihm rein Vermögen, nicht Substanz ist. Und gleicherweise kann man den Menschen nicht einfach als sinnbegabtes Wesen bezeichnen. Denn das kommt den Tieren als Eigenheit zu; der Sinn ist minder als das, was dem Menschen als solchem eigen ist und findet sich im Menschen in hervorragender, gewissermaßen überfließender Weise, da er in ihm bis an die Vernunft sozusagen hinanreicht. So muß man also bei den Engeln sagen, daß wohl alle geistigen Vollkommenheiten allen Engelchören gemeinsam sind; und daß alle diese Vollkommenheiten in gewissem Überflusse in den höheren existieren wie dies nicht in den niederen der Fall ist. Da jedoch in den Vollkommenheiten selber eine gewisse Abstufung besteht, so wird die höhere Vollendung dem höheren Engelchor als Eigenheit, die der inneren Natur durchaus entspricht, zugeschrieben, dem niederen aber nur als Teilnahme; — und die nicht so große Vollendung wird den niederen Engeln als Eigentümlichkeit beigelegt werden, dem höheren Engelchor aber gemäß einem gewissen Überflusse. Somit wird der höhere Engelchor von der höheren Vollendung her benannt. In dieser Weise also, gemäß den geistigen Vollkommenheiten setzt Dionysius die Namen der Engel auseinander. Gregor der Große aber (34. in Evgl.) berücksichtigt in der Begründung dieser Namen mehr die Dienstleistungen nach außen. Denn „Engel“, sagt er, „sind solche, die geringere Dinge; Erzengel, welche höchst Bedeutendes verkünden; Kräfte, durch welche die Wunder geschehen; Gewalten, durch die Feindliches niedergeworfen wird; Fürstentümer, die den guten Geistern selber vorgesetzt sind.“
c) I. „Engel“ heißt „Bote“. Alle himmlischen Geister also, insoweit sie Göttliches offenbaren, werden Engel genannt. Die höheren Engel aber ragen in etwas hervor bei dieser Offenbarmachung und nach diesem Moment, wonach sie hervorragen, werden sie benannt. Der niedrigste Engelchor aber ragt bei dieser Offenbarmachung in nichts hervor und deshalb heißt er eben nur danach; er heißt eben nur Bote. Weil er also zu dem, was allen gemeinsam ist, keinen Vorzug hinzufügt; deshalb wird ihm der allen gemeinsame Name als Eigenname beigelegt. (Vgl. Dion. de coel. hier. 5.) Oder es kann gesagt werden, der niedrigste Engelchor werde einfach mit dem Namen „Engel“ bezeichnet, weil er unmittelbar uns Botschaften bringt. „Kraft“ kann Doppeltes bedeuten. Zuerst wird dieses Wort gebraucht, um eine Fähigkeit oder ein Vermögen auszudrücken, das ja seiner Natur nach in der Mitte steht zwischen dem inneren Wesen und der Thätigkeit selber; — und so heißen alle Engel „himmlische Kräfte“ wie auch „himmlische Wesen“. Dann wird das Wort „Kraft“ gebraucht, um etwas Hervorragendes nach dieser Seite hin auszudrücken; und so ist es der Eigenname des entsprechenden Chores. Deshalb sagt Dionysius (8. de coel hier.): „Der Name Kräfte bezeichnet eine gewisse männliche und unverrückbare Stärke; zuerst, um unter der wirkenden Kraft Gottes Alles auszuführen, was ihnen zukommt; und dann, um den Einfluß von Gott aus in sich aufzunehmen.“ Und so drückt dieser Name aus, daß die damit bezeichneten Engel ohne irgend welche Furcht ausführen, was Gott ihnen aufträgt; was ja Sache der „Stärke“ zu sein scheint. II. „Die Herrschaft,“ sagt Dionysius (12. de div. nom.), „wird in Gott gelobt in ganz einzig dastehender Weise; weil sie im Überflusse bei Ihm vorhanden ist. Insoweit aber ein höherer Engelchor, vermittelst dessen die niedrigeren die Gaben Gottes empfangen, Anteil erhalten hat an der Herrschaft, nennen die heiligen Schriften diesen Chor ebenfalls: die Herrschaften.“ Sonach sagt eben derselbe Dionysius noch wiederum (8. de coel. hier.): „Der Name Herrschaft bezeichnet zuerst eine gewisse Freiheit von der Dienstbarkeit und Unterwürfigkeit, wie letztere dem gewöhnlichen Volke bekannt ist, und von tyrannischer Bedrückung, unter welcher manchmal auch höher Stehende seufzen. Dann bezeichnet er ein gewisses festes und unbeugsames Regieren, was zu keiner knechtischen Thätigkeit herabsteigt. Ferner drückt es aus das Verlangen und die Teilnahme an der wahren Herrschaft, die in Gott ist.“ Und ähnlich bedeutet der Name eines jeden Engelchores eine Teilnahme an dem, was in Gott ist; wie der Name „Kräfte“ ausdrückt eine Teilnahme an der göttlichen Kraft. III. Die Namen „Herrschaft“, „Gewalt“, „Fürstentümer“ bezeichnen je in verschiedener Weise, was zum Regieren gehört. Denn dem „Herrn“ ist es an und für sich nur eigen, vorzuschreiben oder zu befehlen. Deshalb sagt Gregor der Große: „Es giebt Scharen von Engeln, welche Herrschaften genannt werden, weil ihnen die übrigen im Gehorsam unterworfen sind.“ Der Name „Gewalt“ aber drückt ein gewisses Bestimmen aus; wie der Apostel sagt (Röm. 13, 2.): „Wer der Gewalt widersteht, der widersteht der Bestimmung Gottes.“ Und somit sagt Dionysius (9. de coel. hier.): „Der Name Gewalt bezeichnet ein Bestimmen sowohl mit Rücksicht darauf wie das Göttliche aufgenommen als auch wie es ausgeführt werden soll. Sie empfangen dies von oben und vermitteln es den Niedrigeren.“ Demgemäß gehört es den „Gewalten“ an, die Gesetze aufzustellen, nach welchen das, was die „Herrfchaften“ gebieten, ins Werk gesetzt werden soll. „Fürst“ sein aber heißt nach Gregor (l. c.) „unter einigen der erste sein“; die Fürstentümer also sind die Ersten oder die Vorsteher bei der Ausführung dessen, was geboten ist. Und deshalb sagt Dionysius: „Fürstentümer will heißen Führen zugleich mit der Beziehung zum Heiligen.“ Denn wer andere führt ist der erste unter ihnen. „Fürsten“ werden sie demnach vorzugsweise genannt nach Ps. 67, 26: „Zuvorgekommen sind die Fürsten zusammen mit denen, die Psalmen sangen.“ IV. Die „Erzengel“ stehen nach Dionysius in der Mitte zwischen den Fürstentümern und den Engeln. Was aber in der Mitte steht, erscheint mit dem einen der Endpunkte verglichen den Charakter des anderen zu haben; wie laues Wasser mit heißem verglichen gleichsam kalt ist, mit eiskaltem verglichen als warm erscheint. So heißen die Erzengel „Fürsten der Engel“, wenn sie mit den Engeln verglichen werden; im Vergleiche mit den Fürstentümern aber heißen sie einfach Engel. Nach Gregor aber heißen sie „Erzengel“, weil sie als Verkünder des im höchsten Grade Bedeutenden nur den einfachen Engeln vorstehen. Die „Fürstentümer“ jedoch heißen so, weil sie allen himmlischen Kräften vorstehen, wenn es gilt, die göttlichen Aufträge auszuführen. V. „Seraphim“ rührt nicht nur von der Liebe her, sondern von überfließender Liebe; denn das bedeutet der Ausdruck: „Entzündende, Glühend machende.“ Somit erklärt Dionysius (7. de coel, hier.) den Namen „Seraphim“ nach den Eigentümlichkeiten des Feuers, das gleichsam überfließend warm ist. Im Feuer nun können wir drei Eigenheiten betrachten. Erstens ist es beständig in Bewegung nach oben; was ausdrückt, daß die Seraphim beständig nach Gott hin bewegt werden. Dann hat das Feuer eine äußerst thätige Kraft, die Wärme, welche in hervorragendster Weise überall hin bis in die geringsten Kleinigkeiten hineindringt und zwar mit überwallender Glut. Dies bezeichnet die erhabene Thätigkeit dieser Engel, welche auf die tiefer Stehenden sich erstreckt, dieselben aufweckt zu heiligem Feuereifer und sie durch ihr Brennen durchaus läutert von jeder Schwäche. Endlich hat das Feuer eine große Helle; und dies bezeichnet, daß diese Engel in sich selber unauslöschliches Licht haben und damit die anderen vollkommen erleuchten. Ähnlich kommt der Name „Cherubim“ von gewissermaßen überfließender Wissenschaft; so daß sie genannt werden „Fülle des Wissens“. Dionysius (I.
c) erklärt dies nach vier Seiten hin: 1. Schauen sie in vollkommenster Weise Gott; 2. empfangen sie in aller Reinheit und Fülle in sich das göttliche Licht; 3. betrachten sie in Gott selber die Schönheit der Naturordnung in den Dingen, wie selbe von Gott sich ableitet; 4. verbreiten sie ihr Wissen in andere. VI. Die „Throne“ ragen darin vor den niederen Chören hervor, daß sie unmittelbar in Gott die Gründe der göttlichen Werke erkennen; die „Cherubim“ auf Grund des Vollglanzes ihrer Wissenschaft; die „Seraphim“ wegen der Glut ihrer Liebe. Und wenn auch in diesen beiden letztgenannten Vorzügen der dritte eingeschlossen ist, so schließt doch der den „Thronen“ eigene Vorzug nicht die beiden anderen in sich ein; und somit ist der Chor der „Throne“ verschieden von dem der Cherubim und Seraphim. Denn das ist allen Engelchören gemeinsam, daß der Vorzug, durch welchen der niedrigere hervorragt, im höheren mitenthalten ist; aber nicht umgekehrt. Dionysius jedoch erklärt den Namen der „Throne“ gemäß den Eigenheiten eines materiellen Sitzes. 1. Ein solcher materieller Sitz ist erhoben über die Erde oder über den Fußboden; und so sind die „Throne“ soweit erhoben, daß sie in Gott unmittelbar die Gründe erkennen dessen, was sichtbarerweise auf Erden geschieht. In materiellen Sitzen ist 2. eine gewisse Dauer und Festigkeit; denn auf ihnen sitzt jemand so, daß er nicht wankt. Bei den Thronen aber ist das Gegenteil der Fall. Nicht Gott erhält von ihnen Festigkeit, sondern sie, die himmlischen Sitze, erhalten Festigkeit von Gott. Der materielle Sitz nimmt 3. in der Weise den Sitzenden auf, daß dieser auf selbem fortgetragen werden kann; und so nehmen die „Throne“ Gott in sich auf, daß sie Ihn gewissermaßen zu den niederen Engeln tragen. Endlich ist 4. ein solcher materieller Sitz von einer Seite her offen, damit der Sitzende seinen Platz einnehmen kann. So sind diese Engel in der Bereitwilligkeit ihres Geistes offen für jeden Einfluß und für jeden Dienst Gottes.
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