Achter Artikel. Menschen werden aufgenommen in die Engelchöre.
a) Dem steht entgegen: I. Die menschliche Hierarchie steht unter dem letzten Engelchor, wie der niedrigste Engelchor in einer Hierarchie unter dem mittleren, und der mittlere unter dem höchsten. Es wird aber kein Engel von einem Chor in den anderen, von einer Hierarchie in die andere aufgenommen. Also gelangt auch kein Mensch in einen Engelchor. II. Jedem Chor der Engel kommen ganz bestimmte Aufgaben zu, wie schützen, Wunder thun, die Teufel abhalten u. dgl.; was von den Seelen der Heiligen nicht gilt. III. Wie gute Engel zum Guten führen, so böse zum Bösen. Es ist jedoch ein Irrtum, daß die Seelen der bösen Menschen in Dämonen verwandelt werden; wie Chrysostomus (Homil. 29. in Matth.) dies zurückweist. Also gelangen gute Menschen nicht in die Engelchöre. Auf der anderen Seite heißt es Matth. 22.: „Sie (die Heiligen) werden sein wie die Engel im Himmel.“
b) Ich antworte, die Engelchöre seien, wie oben gesagt, voneinander verschieden sowohl gemäß den Verhältnissen ihrer Natur als auch gemäß den Gnadengaben. Wird also die Natur allein berücksichtigt, so werden die Menschen in keiner Weise in die Gngelchöre gelangen; denn der Unterschied in der Natur bleibt immer. Und diesen Umstand allein betrachten jene, die irrtümlicherweise meinen, die Menschen könnten niemals den Engeln gleich werden. Das ist aber offenbar gegen Luk. 20, 36., wo gesagt wird: „Die Kinder der Auferstehung werden im Himmel gleich den Engeln sein.“ Denn was von seiten der Natur vorhanden ist, das verhält sich wie etwas weiter Bestimmbares, wie etwas Materiales im Bereiche einer Seinsordnung; es wird weiter bestimmt und vollendet von der Gnadengabe aus, die von der barmherzigen Freigebigkeit Gottes abhängt und nicht von der natürlichen Ordnung. Also können die Menschen auf Grund der Gnade Gottes eine solche Herrlichkeit verdienen, daß sie gemäß den einzelnen Abstufungen der Engel in den verschiedenen Chören den Engeln gleich werden. Und das will heißen: in die Engelchöre aufgenommen werden. Einige jedoch meinen, nur die Jungfräulichen oder ganz Vollkommenen würden in die Chöre der Engel aufgenommen, die anderen würden einen eigenen Chor bilden, getrennt von den Engelchören. Doch das ist gegen Augustin, der da (12. de Civ. Dei c. 1.) schreibt: „Nicht zwei Städte Gottes werden sein, die eine für die Engel, die andere für die Menschen; sondern eine; denn die Seligkeit Aller besteht darin, daß sie Gott anhängen.“
c) I. Den Engeln wird die Gnade gegeben je nach dem Verhältnisse ihrer Natur. So verhält es sich aber nicht mit den Menschen. Die niederen Engel also können weder der Natur noch der Gnade nach zu der Stufe erhoben werden, welche höhere Chöre einnehmen; die Menschen aber können es, nicht zwar der Natur, sondern der Gnade nach. II. Die Engel sind ihrer Natur gemäß in der Mitte zwischen Gott und uns. Nach dem allgemein geltenden Gesetze also werden von ihnen nicht nur menschliche Dinge geleitet, sondern im allgemeinen die ganze körperliche Natur. Die Seelen der Heiligen aber behalten auch nach diesem Leben dieselbe Natur wie wir. Also nach dem gewöhnlichen Gesetze mischen sie sich nicht in die menschlichen Dinge. (August. de cura pro mort. c. 16.) Infolge besonderer Erlaubnis Gottes nur ist es manchmal den lebenden oder verstorbenen Heiligen gestattet, dergleichen Dinge zu thun, wie Wunder wirken, Teufel bezwingen. III. Es ist kein Irrtum zu sagen, die Sünder gelangten zur Teilnahme an der Strafe der Dämonen. Aber einige meinten, die Dämonen seien nichts Anderes wie Seelen Verstorbener; und diese weist Chrysostomus zurück.
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