Achter Artikel. Zur Seligkeit wird nicht erfordert die Gesellschaft von Freunden.
a) Dagegen wird I. in der Schrift die Seligkeit oft mit dem Namen „Herrlichkeit“ bezeichnet. Die Herrlichkeit oder der Ruhm aber besteht darin, daß der betreffende Vorzug des Menschen zur Kenntnis vieler gelangt. Also gehört zur Seligkeit die Gesellschaft von Freunden. II. Boëtius sagt nach Seneca (ep. 6.): „Der Genuß keines Gutes ist angenehm ohne Genossen!“ Freude aber gehört zur Seligkeit. III. Die Liebe wird in der Seligkeit vollendet. Die Liebe aber erstreckt sich auf Gott und den Nächsten. Auf der anderen Seite heißt es Sap. 7: „Alle Güter kamen mir gleicherweise zugleich mit ihr,“ nämlich mit der göttlichen Weisheit, also mit der Betrachtung Gottes; und demgemäß wird nichts Anderes zur Seligkeit erfordert.
b) Ich antworte: Sprechen wir von der Glückseligkeit dieses Lebens, wie dies Aristoteles thut (9 Ethic. 9.), so bedarf der Glückliche der Freunde; nicht zwar um des Nutzens willen, denn wer glücklich ist, genügt sich selbst; und auch nicht um des Genusses willen, denn der Glückliche findet in sich selbst Freude und Ergötzen, weil er Tugend übt; — sondern eben auf Grund der tugendhaften Thätigkeit, damit er nämlich seinenFreunden wohlthue und so bei ihrem Anblicke sich an seinem Wohlthun erfreue und in dieser Weise von ihnen Hilfe erhalte, um wohlzuthun. Damit nämlich der Mensch wohlthue, bedarf er der Hilfe von Freunden, betreffe es Werke des thätigen Lebens oder des beschaulichen. In der vollendeten Seligkeit aber bedarf der Mensch keiner Freunde; denn er hat die ganze Fülle seiner Vollendung in Gott. Jedoch trägt die Gesellschaft von Freunden bei zum volleren Glänze der Seligkeit, weshalb Augustin sagt (8. sup. Gen. 25.): „Die geistige Kreatur erhält, um selig zu sein, einzig von innen heraus Beistand durch die Ewigkeit, die Wahrheit, die Liebe des Schöpfers; von außen her aber, wenn dies Beistand genannt werden soll, erhält sie vielleicht nur auf diese Weise Beistand, daß die Seligen sich gegenseitig sehen und über ihre Gesellschaft sich freuen.“
c) I. Der wesentliche Ruhm in der Seligkeit ist jener, den der Mensch nicht bei den Menschen hat, sondern bei Gott. II. Der Ausspruch hat seine Richtigkeit, wann jenes Gut, welches besessen wird, nicht allseitig genügt; was im vorliegenden Falle nicht statthat, da „alles Genügende und Befriedigende von Gott kommt“. III. Die Vollendung der Liebe ist im Wesen der Seligkeit eingeschlossen, soweit es die Liebe Gottes betrifft, nicht soweit die Liebe des Nächsten in Betracht kommt. Existierte also nur eine einzige Seele, die in Gottes Anschauen sich freute, so wäre sie vollkommen selig, wenn sie auch keinen Nächsten hätte, den sie liebte. Ist aber ein Nächster da, so folgt die Liebe zu selbem aus der vollkommenen Liebe Gottes. Die Freundschaft ist ein Ausfluß aus der Seligkeit, der selbige begleitet.
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