Erster Artikel. Der Charakter des Guten im Willen hängt ab vom Gegenstande.
a) Das Gegenteil stützt sich auf folgende Gründe: I. Der Wille kann nur auf das Gute sich richten; denn, sagt Dionysius (4. de div. nom.), „das Übel ist außerhalb des Willens.“ Da also der Wille nur das Gute zum Gegenstande hat, so würde, falls die Güte des Willens vom Gegenstande abhängig wäre, jegliches Wollen gut sein. II. Das Gute wird zu allererst im Zwecke gefunden und erst nach Maßgabe desselben im Übrigen. Die Güte des Zweckes also hängt insoweit von nichts Anderem ab. Nach Aristoteles (6 Etic. 5.) aber „ist eine gute Handlung schon Zweck, wenn auch das Gewollte nie thatsächliches Sein erhält.“ Also von irgendwelchem thatsächlich bestehenden Gegenstande hängt der Wille in seiner Güte nicht ab. III. Wie etwas beschaffen ist, so beschaffen ist das, was von ihm gewirkt wird. Der Gegenstand des Willens aber ist gut gemäß der Güte, die mit der Natur gegeben ist. Er kann also dem Willensakte keine moralische Güte verleihen. Auf der anderen Seite schreibt Aristoteles (5 Ethic. 1.): „Die Gerechtigkeit ist jene Tugend, gemäß der man das Gerechte will.“ Und ebenso besteht eine Tugend im allgemeinen darin, daß gemäß derselben man Gutes will. Die Güte des Willens aber ist gemäß der Richtschnur der Tugend. Also dadurch ist der Wille gut, daß er Gutes will.
b) Ich antworte, daß „Gut“ und „Böse“ von sich aus kraft der inneren Natur die Wesensunterschiede sind für den Willensakt. Denn von sich aus gehört „Gut“ und „Böse“ dem Willen an; wie „Wahr“ und „Falsch“ der Vernunft. Ein gutes Wollen also und ein böses Wollen sind dem Wesen nach verschiedene Akte. Nun vollzieht sich aber der Wesensunterschied zwischen den Handlungen gemäß den Gegenständen, wie in dem letzten Kapitel auseinandergesetzt worden. Also „Gut“ und „Böse“ in den Willensakten beurteilt sich recht eigentlich gemäß den Gegenständen.
c) I. Der Wille richtet sich manchmal auf ein bloßes Scheingut, was da wohl ein gewisses Gute in sich schließt; aber nicht schlechthin entsprechend dem vernünftigen Begehren. Und deshalb ist der Willensakt nicht immer gut, sondern bisweilen schlecht. II. Es kann wohl eine Handlung oder eine Thätigkeit letzter Zweck des Menschen sein; aber eine solche Thätigkeit ist nicht die des Willens. (Kap. 3, Art. 4.) III. Die Vernunft stellt dem Willen das Gute als Gegenstand vor;und insoweit also der letztere unter die Ordnung der Vernunft fällt, gehört er dem Bereiche der Moral an. Denn die Vernunft ist das Princip der moralischen Handlungen.