11.
Jene, die viel mit dem Verstande nachsinnen können und in einem Gegenstande reichen Stoff zu Erwägungen und eine Fülle von Gedanken finden, mögen auch noch die folgende Mahnung beachten. Ihrer bedürfen jene nicht, die, wie dies bei mir der Fall war, mit dem Verstande nicht tätig zu sein vermögen. Diese sind bloß zu ermuntern, daß sie Geduld tragen, bis der Herr ihrem Verstande Licht und Beschäftigung gibt; denn aus sich vermögen sie so wenig, daß ihnen ihr Verstand eher zum Hindernis als zur Förderung dient. Was aber die ersteren betrifft, so sage ich, sie sollen nicht die ganze Zeit des Gebetes mit Nachsinnen zubringen. Es ist zwar diese Gebetsweise sehr verdienstlich; weil sie aber zugleich sehr angenehm ist, so meinen solche Seelen, sie dürften gar nicht Sonntag halten und keinen Augenblick von der Arbeit ausruhen. Dies schiene ihnen gleich Zeitverlust zu sein. Ich aber halte einen solchen Verlust für großen Gewinn. Sie sollen sich nur, wie ich schon gesagt habe, Christum vorstellen und, ohne den Verstand zu ermüden, zu ihm reden und seiner genießen. Da mögen sie ihm ohne mühsam zusammengesetzte Worte ihre Anliegen vortragen und ihm bekennen, wie gerechte Ursache er hätte, sie in seiner Gegenwart gar nicht zu dulden. So soll man bald die eine, bald die andere Übung vornehmen, damit die Seele keinen Überdruß bekommt, wenn sie immer die nämliche Speise genießen muß. Die genannten Speisen sind, wenn der Geschmack einmal daran gewöhnt ist, sehr angenehm und gedeihlich. Sie enthalten kräftige Nahrung in sich, um der Seele Leben mitzuteilen, und bringen auch sonst manchen Gewinn.