10.
Um nun wieder auf den zweiten Punkt zu kommen, so sind wir keine Engel, sondern haben einen Leib. Es ist Torheit, uns selbst zu Engeln machen zu wollen, während wir noch auf Erden, und noch dazu so tief in sich versunken sind, wie ich es war. Der gewöhnlichen Ordnung gemäß muß unser Denken einen Stützpunkt haben, obwohl manchmal die Seele auch aus sich selbst hinausgeht oder oftmals so von Gott erfüllt ist, daß sie keines Geschöpfes bedarf, um sich zu sammeln. Letzteres ist jedoch nicht für gewöhnlich der Fall. Wir müssen den Geschäften obliegen, es bestürmen uns Verfolgungen und Leiden, es treten Trockenheiten ein — lauter Umstände, in denen wir eine so vollkommene Ruhe nicht genießen können. Da ist nun Christus ein sehr guter Freund für uns; denn wir sehen ihn als Menschen, wir sehen ihn in Schwachheiten und Leiden, wir haben ihn also zum Genossen. Es ist auch leicht, sich ihn zu vergegenwärtigen, wenn man nur einmal daran gewöhnt ist. Indessen werden auch Zeiten kommen, in denen man weder das eine noch das andere tun kann. Alsdann ist es gut und sehr wichtig, daß man, wie ich schon gesagt habe, nicht nach geistlichen Tröstungen hasche, sondern das Kreuz umfasse, komme, was da wolle. Auch der Herr war alles Trostes bar, da man ihn allein ließ in seinen Leiden; aber verlassen wenigstens wir ihn nicht. Er wird uns die Hand reichen, und wir werden höher steigen, als wir durch eigene Anstrengung es vermöchten; er wird sie verbergen, wenn er sieht, daß es uns heilsam ist, und wenn er, wie gesagt, die Seele aus ihr selbst entrücken will.